Werbung hinter Schiebetüren Presserat rügt Schleichwerbung
Archivmeldung vom 16.09.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.09.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie beiden Beschwerdeausschüsse des Deutschen Presserats haben auf ihren Sitzungen am 12. und 14. September 2006 in Bonn acht öffentliche Rügen ausgesprochen.
Trennungsgebot
Der TAGESSPIEGEL (Berlin) wurde wegen Schleichwerbung gerügt. Die
Zeitung hatte in einem Artikel über die Gestaltungsmöglichkeiten von
Wandschränken einen "Berater und Verkäufer in einem Berliner
Fachgeschäft" zu Wort kommen lassen. Am Ende des Artikels wurde ein
Hinweis auf eine Internetadresse zum Thema Schiebetüren
veröffentlicht. Diese führte zu dem Geschäft des interviewten
"Verkäufers", der in Wirklichkeit der Ladeninhaber war. Dieser
Hinweis ist nach Auffassung des Ausschusses Schleichwerbung für
dessen Unternehmen. In Richtlinie 7.2 des Pressekodex heißt es:
Redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen, ihre
Erzeugnisse, Leistungen oder Veranstaltungen hinweisen, dürfen nicht
die Grenze zur Schleichwerbung überschreiten. Eine Überschreitung
liegt insbesondere nahe, wenn die Veröffentlichung über ein
begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der
Leser hinausgeht.
Die Glaubwürdigkeit der Presse als Informationsquelle gebietet
besondere Sorgfalt beim Umgang mit PR-Material sowie bei der
Abfassung eigener redaktioneller Hinweise durch die Redaktionen.[...]
Auch TV SPIELFILM wurde wegen Verstoßes gegen das Trennungsgebot
öffentlich gerügt. Die Zeitschrift hatte über die
Entstehungsgeschichte einer Werbekampagne eines Kosmetikherstellers
berichtet. Dabei wurde mehrfach das beworbene Produkt benannt und
insbesondere auch der Slogan in werbender Sprache herausgestellt.
Ebenfalls eine öffentliche Rüge wegen Nichtbeachtung der Ziffer 7
des Pressekodex erhielt der MAINTAL TAGESANZEIGER. Die Zeitung hatte
in zwei Beiträgen über den Umzug einer Arztpraxis und das Angebot
eines Reisebüros berichtet. Dabei wurde die Grenze zur
Schleichwerbung überschritten. Beide Artikel enthielten Details zu
den Angeboten der Praxis und des Reisebüros, die nicht mehr durch ein
Leserinteresse gedeckt waren. So wurde zum Beispiel mit werblichen
Formulierungen ausführlich über das Praxisangebot im Bereich
kosmetischer Behandlungen informiert.
Vier Rügen wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen
Eine öffentliche Rüge erhielt BILD. Die Zeitung hatte ein Foto des
zehnjährigen Jungen veröffentlicht, der im April bei einem
Terroranschlag in Ägypten getötet worden war. Dies geschah ohne
Einwilligung der Eltern, so dass das Persönlichkeitsrecht des Jungen
verletzt wurde. Dies ist ein schwerwiegender Verstoß gegen die Ziffer
8 des Pressekodex, die fordert:
Die Presse achtet das Privatleben und die Intimsphäre des
Menschen. Berührt jedoch das private Verhalten öffentliche
Interessen, so kann es im Einzelfall in der Presse erörtert werden.
Dabei ist zu prüfen, ob durch eine Veröffentlichung
Persönlichkeitsrechte Unbeteiligter verletzt werden. [...]
Ebenfalls wegen eines Verstoßes gegen Ziffer 8 wurde die FREIZEIT REVUE gerügt. Die Zeitschrift hatte in einem Bericht Fotos von Stéphanie von Monaco und ihrem Ex-Ehemann am Strand veröffentlicht. Eines der Fotos lichtet auch die zwölfjährige Tochter der beiden ab. Hierdurch wurde das Persönlichkeitsrecht des Kindes verletzt, da es keine Person der Zeitgeschichte ist und in diesem Fall nicht abgebildet werden durfte.
Auch die NEUE PRESSE (Hannover) wurde wegen einer Verletzung von
Ziffer 8 öffentlich gerügt. Sie hatte aktuell über einen fast 30
Jahre zurückliegenden Mord berichtet und dabei den vollen Namen des
verurteilten Täters genannt. Richtlinie 8.3 des Pressekodex fordert,
dass im Interesse der Resozialisierung die Namensnennung von
Straftätern unterbleibt.
BILD (Stuttgart) erhielt eine öffentliche Rüge für einen Bericht
über ein Lawinenunglück. Darin hatte die Zeitung die Fotos dreier
Todesopfer abgedruckt. Zusätzlich hatte sie das Foto eines
Überlebenden ohne dessen Einwilligung gedruckt und dabei das Gesicht
nur unzureichend mit einem Balken unkenntlich gemacht. Zudem wurden
dessen berufliche Position und Wirkungsort genannt. Damit wurde der
Betroffene für einen größeren Personenkreis identifizierbar.
Diskriminierung
BILD (Berlin) erhielt eine öffentliche Rüge wegen der
Berichterstattung über den Mord an einem Friedhofsgärtner. Die
Zeitung hatte in dem Bericht den beiden Tatverdächtigen fiktive
türkische Namen gegeben, da die Polizei nach jungen Männern
"südländischer Herkunft" gefahndet hatte. Wie kurze Zeit später
bekannt wurde, handelte es sich bei den beiden Verdächtigen um
Deutsche. BILD hat in der darauffolgenden Berichterstattung zu dem
Fall dann deutsche Namen vergeben, ohne die Leser darauf hinzuweisen,
dass sie vorab fiktive türkische Namen benutzt hatte. Hierin sah der
Beschwerdeausschuss einen Verstoß gegen Ziffer 12 des Pressekodex, da
die Verwendung der ausländischen Namen dazu führt, dass Vorurteile
bedient werden. Ziffer 12 sagt aus:
Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder
seiner Zugehörigkeit zu einer rassischen, ethnischen, religiösen,
sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden.
Insgesamt behandelten die Beschwerdeausschüsse 73 Beschwerden. Neben den acht öffentlichen Rügen sprach er 16 Missbilligungen und 16 Hinweise aus. In einem Fall war die Beschwerde begründet, es wurde jedoch auf das Aussprechen einer Maßnahme verzichtet, da die betroffene Zeitung den Fehler korrigiert hatte. 28 Beschwerden wurden als unbegründet abgewiesen, drei Fälle waren nicht aufklärbar, so dass keine Entscheidung gefällt wurde. In einem Fall hatten sich zwei Beschwerdeführer über dieselbe Veröffentlichung beschwert.
Quelle: Pressemitteilung Deutscher Presserat