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ROG: Merkel-Entscheidung zu Böhmermann ist unglücklich und unnötig

Archivmeldung vom 15.04.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.04.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
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Zur Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Strafermittlungen gegen den ZDF-Satiriker Jan Böhmermann wegen Beleidigung des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan zuzulassen, erklärt der Vorstandssprecher von Reporter ohne Grenzen, Michael Rediske: "Die Entscheidung der Bundeskanzlerin ist unglücklich und unnötig. Das Verfahren nach dem Majestätsbeleidigungs-Paragrafen ermöglicht eine höhere Strafe als bei einer einfachen Beleidigung. Das ist ein Wink in die falsche Richtung. Alles Weitere liegt nun bei der Justiz und damit dort, wo es hingehört."

Rediske weiter: "Dass die Bundesregierung endlich den antiquierten und überflüssigen Strafrechtsparagraf 103 abschaffen will, ist zu begrüßen. Besser wäre es gewesen, schon jetzt auf seine Anwendung zu verzichten und Erdogan damit auf seinen schon gestellten Strafantrag als einfacher Bürger zu verweisen.

Entscheidend wird jetzt sein, dass der Bundestag tatsächlich zügig die Majestätsbeleidigung aus dem deutschen Strafrecht streicht. Sonst könnten sich Autokraten von China bis Aserbaidschan jetzt eingeladen fühlen, gegen kritische Journalisten und Satiriker vor deutsche Gerichte zu ziehen - und sich im eigenen Land mit Sonderrechten gegen kritische Medien zu immunisieren. Wenn die Affäre Böhmermann zu mehr Aufmerksamkeit für die Verfolgung von Journalisten in Ländern wie der Türkei beiträgt, könnte sie am Ende sogar etwas Gutes bewirken."

STARKER ANSTIEG VON KLAGEN WEGEN BELEIDIGUNG DES PRÄSIDENTEN IN DER TÜRKEI

Reporter ohne Grenzen kritisiert seit Langem die juristische Verfolgung von Journalisten in der Türkei unter anderem aufgrund von Artikel 299 des türkischen Strafgesetzbuches, der für Beleidigung des Präsidenten mehrjährige Gefängnisstrafen vorsieht (http://t1p.de/cmye). Unter Präsident Erdogan ist dieses Delikt in jüngster Zeit zur häufigsten Anschuldigung gegen Journalisten neben "terroristischer Propaganda" geworden (http://t1p.de/v96c). Allein 2015 wurden in der Türkei 19 Journalisten und zwei Karikaturisten wegen Beleidigung des Präsidenten zu Haft- oder Geldstrafen verurteilt; 2014 gab es nur zwei derartige Urteile. Bislang ist allerdings keiner der Verurteilten in Haft, weil ihre Berufungsverfahren noch nicht entschieden sind.

Potenziell schwerer für die Betroffenen wiegen Terror-Vorwürfe: Aktuell drohen etwa Chefredakteur Can Dündar und Hauptstadtbüroleiter Erdem Gül von der Tageszeitung Cumhuriyet aufgrund ihrer Berichterstattung lebenslange Haftstrafen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Spionage, Verbreitung von Staatsgeheimnissen und Unterstützung einer terroristischen Organisation vor.

Ende Mai 2015 hatte ihre Zeitung Belege für eine Beteiligung des türkischen Geheimdienstes an Waffenlieferungen an Islamisten in Syrien veröffentlicht. Daraufhin drohte Präsident Erdogan im staatlichen Fernsehen, Chefredakteur Dündar werde einen hohen Preis für die Veröffentlichung bezahlen und nicht ungestraft davonkommen (http://t1p.de/p1eq). Der Prozess gegen Dündar und Gül begann Ende März und wird in einer Woche fortgesetzt.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht die Türkei auf Platz 149 von 180 Staaten. Weitere Informationen zur Lage der Pressefreiheit dort finden Sie unter www.reporter-ohne-grenzen.de/türkei/. Der jüngste Türkei-Länderbericht von Reporter ohne Grenzen steht unter http://t1p.de/g9ns zum Download bereit.

Online-Petition für die Einstellung des Verfahrens Can Dündar und Erdem Gül: www.reporter-ohne-grenzen.de/dündar-gül/

Quelle: Reporter ohne Grenzen e.V. (ots)

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