Wer sind die wirklichen Stars?
Archivmeldung vom 13.04.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 13.04.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Jens BrehlPlatz Eins der Musikcharts besetzt das Musikalbum, welches am erfolgreichsten verkauft wurde? – Falsch! Obwohl die Musik-Charts seit drei Jahrzehnten die Stars des Musikbusiness ermitteln, steht das Regelwerk der Charts jetzt im Visier des Bundeskartellamts:
Nach einer Überprüfung durch das Musiklabel motionFX aus Köln steht das
Regelwerk der Charts unter dem Verdacht, gegen das europäische Wettbewerbsrecht
zu verstoßen. Derzeit prüft das Bundeskartellamt den Fall.
Worum es
geht: Für CDs oder DVDs müssen Mindestpreise eingehalten werden, wenn ihre
Verkäufe für die Charts mitgezählt werden sollen. In Ziff. 4.4. des Regelwerks
werden für Bild- oder Tonträger Mindestpreise vorgeschrieben, die nicht
unterschritten werden dürfen. Verkauft ein Label einem Händler ein Musikalbum
unter diesem Preis, kann es weder vom Charts - Regelwerk erfasst, noch
mitgezählt werden – ganz gleich, wie erfolgreich das Album verkauft wird. Für
ein einfaches CD-Album liegt der Preis derzeit bei 8,50 Euro.
Preiskartell in der deutschen Musikbranche
Manfred Wehrhahn,
Geschäftsführer des Musikvertriebs motionFX und des Labelverbandes Radar Music,
hatte im Jahr 2006 die Charts - Ermittlungsverfahren beim Bundeskartellamt
beanstandet. Ansatzpunkte für die derzeitige Untersuchung des Bundeskartellamts
sind dabei Artikel 81 des EG-Vertrags sowie Paragraf 1 des Gesetzes gegen
Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), nach denen Preiskartelle verboten sind. Da das
Charts - Regelwerk Mindestpreise vorsieht, erkennt auch das Bundeskartellamt
einen Fall von Preisbindung an.
Keine Chance für junge Bands
Manfred Wehrhahn sieht mit dieser Preisbevormundung den Wettbewerb
beeinträchtigt. Gerade bei Newcomern und weniger bekannten Interpreten könne ein
geringerer Preis eine entscheidende Rolle spielen, um den Bekanntheitsgrad zu
vergrößern, so Wehrhahn. Das Charts - Regelwerk verhindert damit, dass neue
Interpreten ihre Musikalben zu günstigeren Einstiegspreisen anbieten können,
wenn sie von den Charts erfasst werden wollen. Damit unterbindet es eine
individuelle Marktpositionierung von jungen Bands und Labels.
Wer sind
die wahren Stars der letzen Jahre?
Wehrhahn stellt sich die Frage, wie
die Charts ausgesehen hätten, wäre die Preisbindung schon längst verboten
worden. Wäre wirklich immer Grönemeyer oder Whitney Houston in den Top Ten
gelandet, oder hätten nicht noch viel öfter neue Bands und frische Gesichter die
Charts erobert?
„Die großen Produktionsfirmen klagen über die
Schwierigkeiten in der Branche aufgrund von iTunes und CD-Kopierern. All das ist
nichts gegen die Steine, die kleinen Labels in den Weg gelegt werden“, so
Wehrhahn.
Nur Verkäufe von Großhändlern werden akzeptiert
Damit
nicht genug: Das Regelwerk enthält weitere Bestimmungen, die unbekannteren
Labels den Markteinstieg erschweren. So werden nur Verkäufe großer Händler wie
Media Markt oder Saturn akzeptiert. Kleinere, regional aufgestellte Händler
werden für die Zählung oft nicht zugelassen. Da große Händler die kleinen Labels
meist gar nicht in ihre Verkaufsliste aufnehmen und auch auf individuelle
Kundenwünsche hin keine Bestellung vornehmen, finden diese Labels und ihre Alben
nicht den Weg in Richtung Charts. Auch Amazon hat kein Interesse, Verkäufe
kleinerer Labels für die Charts Zählung freizugeben.
Vereinbarungen der
Großen in der Branche
Wehrhahn findet: „Dies scheinen subtile und
haarfein abgestimmte Vereinbarungen der großen Unternehmen zu sein, um den
„Kuchen Charts“ und das damit verbundene Medium zur Bekanntmachung von Bands
unter sich aufzuteilen!“ Für Wehrhahn ist dies ein weiterer schwerer Verstoß
gegen das Wettbewerbsrecht.
Aus diesem Grund wird die Firma MotionFX /
Radar Music auch diese Bestimmungen zur Untersuchung beim Bundeskartellamt
anregen.
Das Charts-Regelwerk ist in der Branche kaum bekannt
Ein dritter strittiger Punkt ist ungeklärt: das Regelwerk und dessen
Kommunikation. Die Bestimmungen sind nicht, wie man vermuten sollte,
branchenweit bekannt. Das Charts-Regelwerk wird nur gegen Nachfrage und
Bezahlung von 36 Euro vom Bundesverband der phonographischen Wirtschaft
ausgehändigt.
Die Bestimmungen werden vom Bundesverband Phono
aufgestellt und gelten für seine Mitglieder sowie Nicht-Mitglieder. Zum
Bundesverband gehören die großen Musikproduzenten, wie SonyBMG, Der Club -
Bertelsmann (RTL), EMI Music, Universal Music Entertainment und Warner Music
Group Germany Holding GmbH u. w.
Nur ein Teil der Auflagen wird nach
Aussage Wehrhahns klar und deutlich veröffentlicht. Darunter fallen
beispielsweise die Bestimmungen, ab wann eine CD als Musikalbum gelten kann und
anderes mehr. Was Wehrhahn jedoch erst nach Jahrzehnten im Musikbusiness eher
zufällig unter die Augen kam, waren jene Bestimmungen über Mindestpreise und
Großhändler. Nach Wehrhahns Bekunden und nach Aussagen zahlreicher weiterer
Inhaber von kleinen und mittelgroßen Labels, die er daraufhin befragte, sind
diese Vorlagen in der Branche kaum bekannt. Wehrhahn selbst ist jetzt zum
Kommunikator dieser Bestimmungen geworden – auch über eigene Wettbewerbsgrenzen
hinweg.
Gleiches Recht für alle – auch im Musikbusiness!
Eines
sollte Wehrhahns Meinung nach immer gelten: gleiches Recht und gleiches Wissen
für alle. Das heißt, allen am Musikbusiness Beteiligten, egal ob klein oder
groß, Label, Produktionsfirma oder Händler, sollten die Bestimmungen des
Charts-Regelwerks lückenlos und kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
Wehrhahn fordert außerdem: „Gleiches Wettbewerbsrecht für alle!“ Ob klein oder
groß, berühmt oder Newcomer – was zählen sollte, ist der Verkaufserfolg einer CD
und nicht die Größe ihrer Produktionsfirma.
Einen ersten Erfolg konnte
Manfred Wehrhahn schon erreichen: Der Bundesverband der Phonographischen
Wirtschaft überprüft auf Vorschlag des Bundeskartellamts derzeit sein Regelwerk
in Bezug auf die Mindestpreise. Nach einer telefonischen Auskunft sollen diese
Bestimmungen voraussichtlich geändert werden. Eine Frist hat das Kartellamt
jedoch nicht gesetzt.
Für Musikliebhaber bleibt zu hoffen, dass die Preise der Musik - CDs aufgrund der abgeschafften Preisbindungen demnächst günstiger werden.
Quelle: Pressemitteilung motionFX GmbH /Radar Music