Hilft Religiosität bei der Krankheitsbewältigung?
Archivmeldung vom 14.10.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittReligiosität rückt insbesondere in Krisenzeiten mehr ins Bewusstsein eines Menschen, ganz im Sinne der Redensart "Not lehrt beten". Doch inwieweit beeinflussen Religion, der Glaube an Gott und andere spirituelle Ansätze die Fähigkeit, eine schwere Krankheit zu bewältigen? Dieser Frage gehen Experten nun im Rahmen eines Forschungsprojekts nach, das die Deutsche Krebshilfe mit über 200.000 Euro fördert.
Dabei untersuchen die Wissenschaftler am Beispiel von Darmkrebs-Patienten den Stellenwert der religiösen Bewältigung kritischer Lebensereignisse. Ziel ist es, die psychosoziale Betreuung von Krebskranken zu verbessern.
Die Diagnose "Krebs" trifft die meisten Betroffenen plötzlich und völlig
unvorbereitet. Das Leben verändert sich mit einem Schlag. Nichts ist mehr so,
wie es war. Neben dem körperlichen Wohlbefinden wird auch das seelische
Gleichgewicht stark beeinträchtigt. "Untersuchungen zeigen, dass die psychische
Verfassung eines Menschen und der Umgang mit seiner Krankheit auch durch seine
religiösen Vorstellungen beeinflusst wird", erklärt Privatdozent Dr. Sebastian
Murken, Projektleiter am Forschungszentrum für Psychobiologie und Psychosomatik
der Universität Trier. "Manche Menschen zum Beispiel sehen in ihrer Krankheit
eine Strafe Gottes. Andere wiederum schöpfen aus ihrem Glauben Kraft und
Zuversicht."
Im Rahmen der Studie untersuchen die Wissenschaftler, welche
religiösen Einstellungen und Sichtweisen bei der psychologischen Betreuung von
Krebs-Patienten berücksichtigt, bearbeitet und gegebenenfalls gefördert werden
sollten. Bei der Studie kooperieren die Arbeitsgruppe Religionspsychologie der
Universität Trier und die Onkologische Nachsorgeklinik Nahetal in Bad Kreuznach.
"Unser Ziel ist es, Krebs-Patienten in Zukunft bei ihrer Krankheitsbewältigung
besser unterstützen zu können und die psychosoziale Betreuung zu verbessern",
erläutert Dr. Jürgen Körber, Ärztlicher Direktor der Rehabilitationsklinik
Nahetal.
In der Studie werden insgesamt 518 Darmkrebs-Patienten sowie
eine Vergleichsgruppe von 320 gesunden Frauen und Männern mittels Fragebögen und
durch stichprobenartige, ausführliche Interviews untersucht. Die Befragungen
erfolgen während des Aufenthalts in der Klinik und ein Jahr danach. Die
Studienteilnehmer sollen Aussagen machen zu Persönlichkeitsfaktoren, zu
Ressourcen und Defiziten im Prozess der Krankheitsverarbeitung, zu Strategien
ihrer Krankheitsbewältigung und zu ihrer Religiosität.
Das
Forschungsvorhaben knüpft an die Stressbewältigungs-Forschung an. Der Prozess
der Stress- und Krankheitsbewältigung wird unter dem Fachbegriff "Coping"
zusammengefasst. "Seit einigen Jahren wird hauptsächlich in den USA auch die
Bedeutung der Religiosität im Coping-Prozess erforscht", erklärt Murken. Im
angloamerikanischen Sprachraum ist das so genannte "Religious Coping" als
individuelle Strategie der Krisenbewältigung wissenschaftlich anerkannt. "Im
deutschsprachigen Raum wurden bisher nur wenige Studien zu den Zusammenhängen
von Religiosität und Gesundheit veröffentlicht", so Murken.
Das von der
Deutschen Krebshilfe geförderte Projekt will jetzt die Theorien und Ergebnisse
bisheriger Untersuchungen aufgreifen, um das Konzept "Religious Coping" für
Deutschland anzupassen und zu überprüfen. "Wir erwarten aufschlussreiche
Ergebnisse zu diesem bislang kaum erforschten Gebiet", erläutert Murken.
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.