Computersoftware macht Harnsteinpatienten Hoffnung
Archivmeldung vom 31.05.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittHarnsteine verursachen extreme Qualen - Mediziner sprechen von "Vernichtungsschmerzen". Ein Ziel der Behandlung ist es daher, die Entstehung neuer Steine zu verhindern. Dennoch sind viele Patienten Dauergäste auf den urologischen Stationen. Denn oft schlägt die Therapie fehl, weil der Arzt nicht genau weiß, welche Faktoren die Harnsteinbildung ausgelöst haben.
Ein Grund: Urinuntersuchungen sind nicht immer aussagekräftig; wenn ein Stein erst einmal wächst, verändert er unter Umständen dramatisch die Harnzusammensetzung. Forscher der Universität Bonn haben ein Computerprogramm entwickelt, das aus Wachstumsrate und Art des Steins die Zusammensetzung des Urins vor Beginn der Kristallisation berechnet. Die Wissenschaftler wurden dafür mit dem "Paul-Mellin-Preis 2006" der Nordrhein-Westfälischen Gesellschaft für Urologie ausgezeichnet. Der Preis ist mit 2.500 Euro dotiert.
Harnsteine bilden sich, wenn bestimmte Mineralsalze im Urin so hoch konzentriert sind, dass sie auskristallisieren. Immer mehr Material lagert sich an den Kristallisationskeim an. Meist geschieht das in den Nieren. Wenn der Fremdkörper sich bemerkbar macht, ist er oft schon groß wie ein Kirschkern. Manche Steine füllen sogar das gesamte Nierenbecken aus. Wenn sie sich im Harnleiter verklemmen, sind extreme Koliken die Folge.
Die Ursachen der Steinbildung sind vielfältig. Eine genetische Veranlagung bildet in der Regel den Hintergrund der Erkrankung, Auslöser ist häufig eine unangepasste Ernährung. So kann der Genuss von Lebensmitteln, die viel Oxalsäure enthalten, die Steinbildung fördern - dazu zählt beispielsweise der Spinat. Im Urin kann sich die dann diese Säure mit Kalzium zu unlöslichem Kalziumoxalat verbinden, das sich am wachsenden Stein ablagert. "In diesem Moment verschwindet das Oxalat aber leider aus dem Harn und lässt sich nicht mehr nachweisen", erklärt Dr. Norbert Laube von der Bonner Klinik und Poliklinik für Urologie, Abteilung Experimentelle Urologie. "Der Übeltäter ist gewissermaßen im Stein fixiert. Daher lässt sich das Urinbild mitunter nicht mit der Steingeschichte in Deckung bringen: Nach den gemessenen Werte dürfte der Patient oft gar keinen Stein haben."
Zwei- bis dreifach höhere Konzentration
Beispiel
Oxalsäure: Die eigentliche Konzentration liegt häufig zwei- bis dreifach höher
als die Messwerte. "Anhand der Urinanalyse einen erfolgreichen Therapieplan zu
entwickeln, ist manchmal fast unmöglich", betont Laube. Zusammen mit seinen
Mitstreitern Jörg Bradenahl, Michael Pullmann und Andreas Meißner hat er daher
eine Software entwickelt, die die Harnzusammensetzung vor Beginn der
Kristallisation abschätzen kann. "Unser Programm erlaubt gewissermaßen einen
Blick in die Vergangenheit", erklärt der Mineraloge.
Das Prinzip ist
einfach: Aus zwei im Abstand von einigen Wochen aufgenommenen Röntgen- oder
Ultraschall-Aufnahmen berechnet der Computer die Volumenzunahme pro Zeiteinheit.
Aus den Patientenakten des jeweiligen "Dauerkunden" weiß der Arzt zudem, wie bei
ihm die Zusammensetzung früherer Steine war. Aus diesen Parametern sowie dem
Urinfluss durch die betroffene Niere kann das Programm dann berechnen, wieviel
von welcher Substanz der Stein pro Zeiteinheit bindet - und wie dieser Effekt
die Harnanalyse verfälscht.
Der Arzt erhält so eine korrigierte
Harnanalyse, die ihm hilft, den Ursachen der Steinbildung auf die Spur zu
kommen. "Das Verfahren ist einfach und kostengünstig", verspricht Laube. "Bei
Patienten, die häufig unter Harnsteinen leiden und auf eine Therapie nicht
ansprechen, erlaubt es möglicherweise Rückschlüsse auf die Ursachen."
Quelle: Pressemitteilung Informationsdienst Wissenschaft e.V.