Montgomery: "Das TSVG ist in Teilen übergriffig"
Archivmeldung vom 15.01.2019
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.01.2019 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch André Ott"In dem Entwurf für das Terminservice- und Versorgungsgesetz steckt viel Gutes. Leider enthält er aber auch etliche Vorgaben, die gerade jungen Ärztinnen und Ärzten die Freude an der Arbeit in eigener Praxis verleiden können." Das sagte Bundesärztekammer-Präsident Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery vor der öffentlichen Anhörung des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) am 16. Januar in Berlin.
Montgomery kritisierte die geplanten staatlichen Vorgaben für offene Sprechstunden und die Ausweitung der Mindestsprechstundenzeiten als "übergriffig". Offenbar habe sich die Politik von den Krankenkassen ins Ohr flüstern lassen, dass vermeintliche Versorgungsengpässe von unzureichenden Sprechstundenzeiten herrührten. Alle seriösen Zahlen würden dies aber widerlegen. Notwendig seien vielmehr flexible Lösungen, die sich sowohl an den Bedürfnissen der Patienten, als auch an denen der jungen Ärztegeneration orientieren. "Solche praxisnahen Regelungen können nur von der Selbstverwaltung kommen. Dafür muss ihr die Politik aber die notwendige Gestaltungsfreiheit geben", forderte der BÄK-Präsident.
"Die Wurzel des Problems eingeschränkter Versorgungskapazitäten liegt nicht in einer unzureichenden Arbeitsleistung der Ärztinnen und Ärzte, sondern in einem bedrohlichen und zunehmenden Ärztemangel, für den in dem Gesetzentwurf keine Lösungen angeboten werden", heißt es auch in der schriftlichen Stellungnahme der Bundesärztekammer für die öffentliche Anhörung im Bundestags-Gesundheitsausschuss. Zu begrüßen sei, dass zumindest ein Teil der Mehrarbeit entsprechend vergütet werden soll. Dennoch werde die wahre Ursache der eingeschränkten Versorgungskapazitäten und dadurch bedingter Wartezeiten verkannt. "Die Arbeitsbelastung von Ärztinnen und Ärzten ist bereits heute überdurchschnittlich hoch. Zudem führen der Strukturwandel im Gesundheitswesen mit mehr Ärztinnen und Ärzten in Anstellung, mehr Teilzeitarbeit, die striktere Einhaltung gesetzlicher Arbeitszeitvorgaben sowie der demografische Wandel zu einer weiteren Arbeitsverdichtung", so die BÄK in ihrer Stellungnahme.
Positiv hebt die Bundesärztekammer hervor, dass der Gesetzgeber mit der Neuaufstellung der Terminservicestellen erste Weichenstellungen für ein sektorenübergreifendes Konzept der Notfall- und Akutversorgung vornimmt. Allerdings würden in den neuen Servicestellen Vorhaltekosten entstehen, die über die Leistungsvergütung der Krankenkassen nicht abgedeckt sind. Die Finanzierung sei daher nicht nur aus Mitteln der Gesetzlichen Krankenversicherung, sondern auch durch ergänzende Investitionen aus Steuermitteln zu gewährleisten.
Mit großer Sorge sieht die Bundesärztekammer das Vordringen von Kapitalgebern in die ambulante Versorgung. Daraus ergäben sich Risiken für die Wahlfreiheit von Patientinnen und Patienten ebenso wie für die Möglichkeit von Ärztinnen und Ärzten, sich niederzulassen oder im Angestelltenverhältnis den Arbeitgeber zu wechseln.
Die Bundesärztekammer begrüßt deshalb, dass der Gesetzentwurf Anpassungen bei Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) vorsieht, weist aber darauf hin, dass die vorgesehenen punktuellen Neuregelungen der zunehmenden Konzernbildung nur begrenzt entgegenwirken können. Sie unterstützt die Forderungen des Bundesrates nach Regelungen, die einem kapitalgetriebenen Missbrauch von MVZ-Strukturen wirksam begegnen, indem sie den gesundheitspolitisch gewünschten Versorgungsbeitrag von MVZ klarer fassen. Dazu gehört die grundsätzliche Bindung von Krankenhaus-MVZ an einen regionalen und fachlichen Bezug ebenso wie die Möglichkeit, eine Fokussierung auf lukrative Leistungsbereiche zu verhindern und sinnvolle Vorgaben zur Größe von MVZ zu machen.
Die Stellungnahme im Internet: https://www.bundesaerztekammer.de/politik/stellungnahmengesetzgebung/
Quelle: Bundesärztekammer (ots)