Pharmaverband lehnt Impfstoff-Exportverbote ab
Archivmeldung vom 05.03.2021
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićAngesichts des Exportstopps von 250.000 Dosen Astrazeneca-Impfstoff aus Italien hat die deutsche Pharmaindustrie das Vorgehen von Rom und Brüssel scharf kritisiert. "Von Exportverboten halten wir gar nichts. Solche Maßnahmen wie jetzt in Italien können zum Boomerang werden, der die gesamte globale Lieferkette in der Pharmaindustrie in Gefahr bringt", sagte der Präsident des Pharmaverbandes vfa, Han Steutel, der "Welt".
Die Pharma-Konzerne hätten im vergangenen Jahr inmitten der Coronakrise bewiesen, dass ihre Lieferketten für die weltweite Versorgung mit Medikamenten und Impfstoffen robust seien. "Die EU und die einzelnen Mitgliedsstaaten sollten das nicht gefährden."
Der Verbandspräsident verweist dabei auch auf die komplexe Produktion, die aus mehreren Zwischenschritten besteht und auf Vorprodukte aus unterschiedlichen Ländern angewiesen ist.
"Wenn das Beispiel Schule macht, könnte es passieren, dass Länder Zwischenprodukte für den Export nach Europa auch nicht freigeben - weil sie befürchten müssen, hinterher nichts vom fertigen Produkt abzubekommen", warnte er. Ein weiteres Problem sei die große Menge, um die es bei dem konkreten Streitfall in Italien gehe. "Dass nun über 250.000 Dosen inmitten der Pandemie erstmal blockiert sind und vorerst gar nicht verimpft werden, ist höchst problematisch", kritisierte er. Die EU-Kommission in Brüssel hatte im Januar nach einem Streit mit Astrazeneca eine Genehmigungspflicht für Exporte von Corona-Impfstoffen eingeführt.
Seitdem müssen sich die Hersteller die Ausfuhr von in der EU produzierten Corona-Impfstoffen in Drittstaaten genehmigen lassen. Der Streit um die Ausfuhren ist auch deshalb so heikel, weil Kontinentaleuropa bisher einer der wichtigsten Standorte für die Produktion von Corona-Impfstoffen westlicher Hersteller ist.
"Der weltweite Bedarf ist kurzfristig noch viel größer, als produziert werden kann. Aber bis zum Breakeven ist es nicht mehr weit", sagte vfa-Präsident Steutel dazu.
In diesem Jahr würden allein in der westlichen Welt neun Milliarden Dosen Corona-Impfstoff in produziert. Rechne man noch die Produktion aus Asien hinzu, wachse diese Zahl auf 13 Milliarden Dosen. "70 bis 80 Prozent der weltweiten Produktion von Corona-Impfstoffen findet innerhalb der EU statt. Das ist ein Riesenschub, gerade für Deutschland mit seiner wichtigen Pharmaindustrie, zumal der Bedarf danach auch in Zukunft groß bleiben wird."
Zwischen 2008 und 2019 hat es einen enormen Anstieg bei den Ausfuhren pharmazeutischer Produkte aus Deutschland gegeben, berichtet die "Welt" unter Berufung auf eine Berechnung des Gewichts der Pharmabranche für den deutschen Export durch das Forschungsinstitut Prognos im Auftrag des vfa.
Diese legten der Studie zufolge um 90 Prozent auf über 80 Milliarden Euro zu. Insgesamt gehöre Deutschland mit einem Weltexportanteil von 15 Prozent zu den wichtigsten Pharma-Export-Ländern weltweit. Trotz der Stärke der Industrie sei es allerdings keine gute Idee, Pharmaproduktion zurück nach Deutschland und Europa zu holen, wie das inmitten der Pandemie zeitweise auch von der Politik gefordert wurde. "Produktion zurückzuholen hat keinen Sinn - wir sollten lieber darauf setzen, unsere Expertise und unsere Kapazitäten bei hochtechnologischen Pharmaprodukten auszubauen", so Steutel. "Gerade bei den mRNA-Impfstoffen hat der Standort Deutschland die Chance, auf die Überholspur zu gehen - das sollten wir uns nicht durch Exportverbote kaputt machen."
Quelle: dts Nachrichtenagentur