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Corona-Krise: Experten beobachten vermehrt Alkoholprobleme

Archivmeldung vom 01.02.2021

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.02.2021 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Bild: Martin Quast / pixelio.de
Bild: Martin Quast / pixelio.de

Den Corona-Kummer im Alkohol ertränken? Psychotherapeuten und Psychiater schlagen Alarm: Sie beobachten in der Corona-Krise steigenden Alkoholkonsum und dadurch eine Zunahme psychischer Probleme. Sechs von zehn Therapeuten stellen bei ihren Patienten häufiger Alkoholprobleme fest.

Patienten, die schon vor der Krise Probleme mit Alkohol hatten, greifen vermehrt zu Bier, Wein oder Spirituosen, wie 66 Prozent aus ihren Sprechstunden berichten. Dies sind Ergebnisse der Studie "Psychische Gesundheit in der Krise" der pronova BKK, für die 154 Psychiater und Psychotherapeuten in Praxen und Kliniken befragt wurden.

Die Corona-Krise wirkt bei psychischen Beschwerden häufig wie ein negativer Verstärker, beobachten Psychotherapeuten. Das betrifft auch den Alkoholkonsum. "Patienten mit Alkoholabhängigkeit haben in der Krise häufig ihr in der Abstinenz geschaffenes soziales Netz eingebüßt. Wegen der Kontaktbeschränkungen haben sich zum Beispiel Selbsthilfegruppen nicht mehr regelmäßig getroffen", sagt Dr. Sabine Köhler, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie in Jena. "Diese Strukturen sind für Alkoholiker aber enorm wichtig, um trocken zu bleiben. In der Pandemie sind sie deshalb stark gefährdet, einen Rückfall zu erleiden." Expertin Köhler hat das selbst erlebt: "Job- und Existenzängste, dazu keine entlastenden Gesprächsrunden mehr mit der Selbsthilfegruppe - nach 15 Jahren griff einer meiner Patienten wieder zur Flasche und ist nun erneut bei mir in Therapie."

Flucht in den Alkohol

Nicht nur wer psychisch labil ist, sondern auch bislang unbelastete Menschen geraten in der Pandemie in seelische Nöte - und sind suchtgefährdet. Wenn der Druck zu groß wird, flüchten sich nicht wenige in Alkohol, Zigaretten oder andere Drogen, um den Stress zu bekämpfen. Mehr als jeder dritte Therapeut sieht gesteigerte Nikotinsucht, auch Medikamente spielen eine größere Rolle. Ein Drittel der Experten diagnostiziert häufiger den Konsum von Drogen wie Cannabinoiden, Kokain oder Halluzinogenen.

Das beobachten Therapeuten auch bei ihren Neupatienten, die sie erst seit der Corona-Krise behandeln. Jeder zweite Therapeut stellt fest, dass diese verstärkt zum Alkohol griffen. Zigaretten, Medikamente und andere, harte Drogen haben den Berichten von rund drei von zehn Befragten zufolge in der Corona-Krise ebenfalls eine stärkere Rolle gespielt. 16 Prozent diagnostizieren häufiger Essstörungen.

Zweite Welle verschärft Probleme

73 Prozent rechnen damit, dass der Alkohol- und Drogenkonsum in den kommenden zwölf Monaten zunehmen wird. "Eine erwartbare Folge der Krise", kommentiert Köhler. "Alkoholismus liegen häufig psychische Beschwerden wie Angsterkrankungen zugrunde. Zur Stressbewältigung greifen die Betroffenen zur Flasche", sagt Köhler. Psychische Beschwerden wie Ängste und Überforderung wiederum nehmen in der Krise zu - auch das belegt die Studie. 82 Prozent der Befragten diagnostizieren öfter Angststörungen als üblich. 79 Prozent stellen vermehrt die Diagnose einer Depression, 74 Prozent vermerken Anpassungsstörungen, also stark ausgeprägte Reaktionen auf belastende Ereignisse. 72 Prozent sprechen von einer Zunahme somatoformer Störungen wie Müdigkeit, Erschöpfung oder Schmerzen ohne organische Ursache. Vor allem die Nachtruhe ist beeinträchtigt: Dass Patienten nicht schlafen können, ohne dass es dafür eine körperliche Ursache gibt, beobachten zwei Drittel der Psychiater und Therapeuten vermehrt seit Beginn der Corona-Krise.

Zur Studie

Die Befragung "Psychische Gesundheit in der Krise" wurde im Oktober und November 2020 im Auftrag der pronova BKK im Rahmen einer Online-Befragung durchgeführt. Bundesweit nahmen 154 Psychiaterinnen und Psychiater sowie Psychotherapeutinnen und -therapeuten daran teil.

Quelle: pronova BKK (ots)


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