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TUM-Forscher finden Listerien in Betten von Bauerhof-Kindern

Archivmeldung vom 14.06.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 14.06.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Lichtmikroskopische Darstellung von Listeria monocytogenes (Vergrößerung 1000-fach, Färbung nach Gram). Bild TUM
Lichtmikroskopische Darstellung von Listeria monocytogenes (Vergrößerung 1000-fach, Färbung nach Gram). Bild TUM

Listerien - von diesen gesundheitsschädlichen Keimen hört der Verbraucher normalerweise nur im Zusammenhang mit Rohmilchkäse, Tatar oder Räucherlachs. Forscher der Technischen Universität München (TUM) haben die kleinen Krankmacher jetzt allerdings auch im Bett gefunden.

Sie haben den Matratzenstaub von Bauernhofkindern untersucht - und in fast zwei Dritteln der Proben Listerien entdeckt. Die gute Nachricht: Möglicherweise sorgen die Mikroorganismen mit dafür, dass Kinder vom Bauernhof weniger an Allergien leiden als ihre Altersgenossen in der Stadt. Die schlechte Nachricht: Die Keime im Bett könnten auch eine bislang verborgene Infektionsquelle für die so genannte Listeriose sein.

Vom grippalen Infekt über Durchfall bis hin zur Blutvergiftung oder einer Hirnhautentzündung - die Liste der durch den Verzehr von Listerien-verseuchten Lebensmitteln verursachten Krankheiten ist lang. Für Schwangere sind die Keime besonders gefährlich, da sie zu einer Missbildung des Fötus und sogar zu Totgeburten führen können. Aus Gründen des Verbraucherschutzes werden Risikolebensmittel wie rohe Fleisch-, Fisch- oder Milchprodukte deshalb auch streng von der Lebensmittelsicherheit überwacht. Vielleicht sollten Hygienekontrolleure in Zukunft aber auch verstärkt unter die Bettdecken gucken: Denn Forscher des Wissenschaftszentrums Weihenstephan (WZW) der TU München haben infektiöse Listerien auch im Matratzenstaub von Bauernhof-Kindern nachgewiesen.

Dass die Wissenschaftler ausgerechnet im ländlichen Umfeld nach den Keimen gesucht haben, hat einen guten Grund: Viele epidemiologische Studien haben gezeigt, dass die Bauernhofumgebung vor der Entstehung von Asthma und Allergien schützt. Man vermutet, dass Mikroorganismen dafür verantwortlich sind: So wurden hitzeabgetötete Listerien bereits erfolgreich in der Immuntherapie von Mäusen zur Regulierung von Atemwegshyperreaktivität und Entzündungen eingesetzt. Vor diesem Hintergrund hat ein Forscherteam um Prof. Johann Bauer vom Lehrstuhl für Tierhygiene des WZW auf Bauernhöfen gezielt nach Listerien gefahndet. Die Vermutung: Möglicherweise trainieren Landkinder ihr Immunsystem gerade durch diese Bakterien, denn Listerien treten sowohl im Ackerboden als auch im Viehstall immer wieder auf.

Im Zusammenhang von Bauernhof-Lebensstil und der Vorbeugung von Kinderallergien haben die TUM-Forscher deshalb Staubproben von insgesamt 26 Bauernhöfen in Südbayern untersucht - zum Einen aus den Kuh- und/oder Schweineställen, zum Anderen von den Matratzen der Kinder. Was zunächst skurril klingt, hat Methode: Persönlicher Matratzenstaub ist ein exzellenter Indikator, um zu messen, wie stark ein Individuum langfristig bestimmten Keimen ausgesetzt ist. Die Stallproben nahmen die Forscher dabei vor Ort mit einer Bürste, für die Matratzenproben nutzten sie einen Staubsauger: Drei Minuten saugen bei voller Leistung brachte genügend Staub zusammen, um ihn mikrobiologisch untersuchen zu können.

Dazu extrahierten die Tierhygieniker aus allen Proben die DNA und vervielfältigten mittels Polymerasekettenreaktion das Erbgut der enthaltenen Mikroorganismen. Nach der Vervielfältigung der enthaltenen Gene konnten sie sehr genau analysieren, ob auch die für den Menschen gefährliche Art Listeria monocytogenes darunter war. Ergebnis: Der gesundheitsschädliche Keim fand sich in 28 Prozent der Tierstall-Proben, und sogar in 60 Prozent der Proben aus Matratzenstaub. "Fast zwei Drittel der untersuchten Bauernhof-Kinder hatten also Listerien in ihren Betten", fasst Prof. Bauer zusammen. Offensichtlich sind sie also dauerhaft Keimen ausgesetzt, die einerseits als gesundheitsgefährdend gelten, andererseits aber vielleicht die Allergieanfälligkeit der Landkinder im Vergleich zu Gleichaltrigen aus der Stadt senken. Beide Thesen sind ein genaueres Hinsehen wert, so Bauer: "Die Bedeutung dieser Ergebnisse bezüglich der Gesundheit der Kinder sollte in epidemiologischen Studien unter zwei Gesichtspunkten untersucht werden - einerseits bezüglich des Risikos an Listeriose zu erkranken und andererseits bezüglich des Effekts der Listerien-Exposition auf Allergieprotektion."

Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie oft Listerien generell in den Betten der Deutschen auftauchen. Denn die Infektion mit Listerien ist meldepflichtig, in Deutschland werden nach Angaben des Robert-Koch-Instituts jedes Jahr über 500 Listeriose-Fälle beim Menschen bekannt. Die meisten erfolgen über keimbelastete Lebensmittel, doch einige bleiben rätselhaft:"Es gibt Vermutungen, dass ungeklärte Listeriose-Fälle - zum Beispiel in Seniorenheimen - über eine Kontamination von Matratzen verursacht werden", so Prof. Bauer. "Ob das Bett eine verborgene Infektionsquelle für Listeriose sein kann, müsste durch weitere Forschungen überprüft werden. Die Ergebnisse könnten für Hygienebeauftragte in Krankenhäusern und Altersheimen durchaus interessant sein."

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft e.V.

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