Alltags-Chemikalien sind Gift für Spermien
Archivmeldung vom 14.12.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittNur mit einem Feigenblatt bekleidet protestierten Greenpeace-Aktivisten gestern vor dem Bundeskanzleramt gegen Zeugungsunfähigkeit durch Alltags-Chemikalien. Die Feigenblätter tragen die Aufschrift "Alltagschemie ist Gift für meine Spermien!". Hintergrund des Protestes: Für jedes zehnte Paar in Deutschland bleibt der Kinderwunsch mittlerweile unerfüllt.
Als eine der
Hauptursachen gelten Chemikalien, die insbesondere die Fruchtbarkeit
von Männern schädigen. Dazu gehören zum Beispiel Weichmacher, die in
Rasiercreme, Lebensmittelverpackungen oder Badelatschen stecken. Der
EU-Wettbewerbsrat berät heute in Brüssel über die
EU-Chemikalienverordnung REACH (Registrierung, Evaluierung und
Autorisierung von Chemikalien). Unter Führung von Kanzlerin Angela
Merkel will sich die Bundesregierung dafür aussprechen, dass
besonders schädliche Chemikalien selbst dann weiter verwendet werden
dürfen, wenn sichere Alternativstoffe vorhanden sind.
"Um die Fruchtbarkeit unserer Männer steht es nicht zum Besten",
sagt Ulrike Kallee, Chemie-Expertin von Greenpeace. "Wenn Frau Merkel
wirklich etwas für die Zukunft dieses Landes tun will, muss sie in
Brüssel dafür sorgen, dass keine fortpflanzungsschädigenden
Chemikalien mehr in Alltagsprodukten stecken."
Studien zeigen, dass
die Spermienzahl in Deutschland jährlich um mehr als zwei Prozent
abnimmt. Sie nähert sich damit einem Bereich an, den die WHO als
kritisch für die Zeugungsfähigkeit ansieht. Zudem leiden immer mehr
Jungen an missgebildeten Hoden, ein möglicher Auslöser für spätere
Unfruchtbarkeit und erhöhtes Hodenkrebsrisiko. Industriechemikalien
gelten als wesentliche Ursache für diesen Trend. Mehr als 300
Chemikalien aus alltäglichen Produkten werden im menschlichen Blut
inzwischen nachgewiesen.
Das Europäische Parlament hat sich in seiner ersten Lesung vor
vier Wochen dafür ausgesprochen, dass besonders gefährliche
Chemikalien schrittweise von den Unternehmen durch unbedenklichere
Alternativen ersetzt werden sollen. Diese Entscheidung muss
allerdings noch den EU-Wettbewerbsrat passieren, in dem die
Wirtschaftsminister sitzen. Gegen dieses sogenannte
"Substitutionsprinzip" hat sich im Vorfeld insbesondere die
Bundesregierung ausgesprochen, um die Chemieunternehmen nicht
finanziell zu belasten.
Nach eigenen Angaben verzeichnete die deutsche Chemieindustrie
2005 das stärkste Wachstum seit zehn Jahren. Zeitgleich wurden mehr
als 4.000 Arbeitsplätze abgebaut. "Wenn Frau Merkel eine solche
Unternehmenspolitik auf Kosten unserer Gesundheit unterstützt, ist
das verantwortungslos und kurzsichtig. Durch die Entwicklung von
unschädlichen Ersatzstoffen hat REACH ein hohes Innovationspotential.
REACH ist eine Investition in die Zukunft", sagt Kallee.
Quelle: Pressemitteilung Greenpeace e.V.