Stress in der Kindheit erhöht Allergierisiko
Archivmeldung vom 19.06.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEin Umzug oder die Trennung der Eltern kann bei Kindern das Risiko deutlich erhöhen, später an einer Allergie zu erkranken. Das geht aus einer Langzeitstudie über Zusammenhänge zwischen Lebensstil, Immunsystem und Allergien hervor, die vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig (UFZ), vom Helmholtz Zentrum München und vom Institut für umweltmedizinische Forschung (IUF) in Düsseldorf geleitet wird.
Die Forscher hatten Blutproben von 234 sechsjährigen Kindern untersucht und im Zusammenhang mit Umzug oder Trennung der Eltern erhöhte Blutkonzentrationen des Stresspeptides VIP (Vasoaktives intestinales Peptid) gefunden. Der Botenstoff VIP aus der Gruppe der Neuropetide könnte eine Vermittlerrolle zwischen Stressereignissen im Leben und der Immunregulation einnehmen, schreiben die Forscher im Fachblatt Pediatric Allergy and Immunology. Dass Stressereignisse einen Einfluss auf die Entwicklung von allergischen Krankheiten haben können, war bereits länger bekannt. Die zugrunde liegenden Mechanismen galten aber lange Zeit als ungeklärt. In der jetzt veröffentlichten Studie wurden erstmals Stressereignisse in den frühen Lebensjahren innerhalb einer großen epidemiologischen Studie mit Hilfe von Immunmarkern und Neuropeptiden untersucht. Stressereignisse in der Kindheit stehen zunehmend im Verdacht, eine große Rolle bei der späteren Entwicklung von Asthma, Hautkrankheiten oder allergischen Sensibilisierungen zu spielen. Dramatische Lebensereignisse wie der Tod eines Angehörigen, schwere Erkrankungen eines Familienmitgliedes oder die Trennung der Eltern, aber auch harmlose Ereignisse wie beispielsweise ein Umzug stehen im Verdacht, das Allergie-Risiko bei betroffenen Kindern zu erhöhen. Offenbar spielt das Immunsystem eine Vermittlerrolle zwischen Stress auf der einen Seite und allergischen Krankheiten auf der anderen Seite. Da diese Mechanismen bisher kaum verstanden worden sind, versuchten die Forscher im Rahmen einer epidemiologischen Studie (LISA), stressbedingte Faktoren mit Einfluss auf das Immunsystem zu identifizieren. Parallel zu Blutuntersuchungen analysierten die Forscher gemeinsam mit Kollegen vom Institut für Sozialmedizin der Universität zu Lübeck auch verschiedenste soziale Faktoren im Umfeld der Kinder, um auslösende Faktoren für stressbedingte Fehlregulationen des Immunsystems herauszufinden.
Bei Kindern, deren Eltern sich innerhalb des letzten Jahres getrennt
hatten, fanden die Forscher erhöhte Blutkonzentrationen des
Neuropetides VIP (Vasoaktives intestinales Peptid) sowie erhöhte
Konzentration von Immunmarkern, die mit der Auslösung allergischer
Reaktionen verbunden sind, wie das Zytokin IL-4. Schwere Krankheiten
oder der Tod von nahen Verwandten führten dagegen zu keinen auffälligen
Veränderungen. Auch Arbeitslosigkeit der Eltern war nicht mit erhöhten
Stresspeptidkonzentrationen im Blut der Kinder assoziiert. So tragisch
diese Ereignisse auch sind, offenbar sind sie jedoch für die
Stressreaktionen von Kindern von geringerer Bedeutung als
beispielsweise eine Trennung oder Scheidung der Eltern, schlussfolgern
die UFZ-Forscher. Wie bereits in einer frühen Arbeit aus der gleichen
Studie gezeigt wurde, können auch nach einem Umzug (ebenso wie bei
Trennung der Eltern) erhöhte Konzentrationen des Stresspeptides VIP im
Blut der Kinder nachgewiesen werden. Vorangegangene Untersuchungen in
LISA zeigten, dass es einen Zusammenhang zwischen einer erhöhten
Konzentration u.a. des Neuropeptides VIP und allergischen
Sensibilisierungen bei sechsjährigen Kindern gibt.
Auch wenn die Ergebnisse wegen der vergleichsweise geringen Anzahl an
betroffenen Kindern vorsichtig interpretiert werden sollten, so geben
sie doch wertvolle Hinweise darauf, was genau durch Stress im Körper
passiert.
Den Untersuchungen liegen Daten 6-jähriger Kinder der LISA-Studie zugrunde. LISA steht für "Lifestyle - Immune - System - Allergy" und untersucht Einflüsse des Lebensstils auf das Immunsystem und die Entstehung allergischer Erkrankungen bei Kindern. Neben dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig (UFZ), dem Helmholtz Zentrum München und dem Institut für umweltmedizinische Forschung (IUF) in Düsseldorf sind weitere universitäre und klinische Partner beteiligt, unter anderem das städtische Klinikum "St. Georg" in Leipzig. Für die LISA-Studie wurden zwischen Ende 1997 und Anfang 1999 über 3000 neugeborene Kinder in den Städten München, Leipzig, Wesel und Bad Honnef rekrutiert. Die Eltern wurden wiederholt zu verschiedenen familiären und gesundheitlichen Parametern befragt. Zusätzlich erfolgten Blutuntersuchungen zu verschiedenen Zeitpunkten. Im sechsten Lebensjahr wurden insgesamt 565 Kinder in Leipzig untersucht, bei 234 Teilnehmern wurden Blutanalysen zu Neuropeptiden und Immunparametern durchgeführt. Im Laufe der 6-Jahres-Untersuchung war fast ein Drittel der Leipziger Studienfamilien von Arbeitslosigkeit betroffen. Bei etwa der Hälfte aller Familien traten schwere Erkrankungen naher Angehöriger auf. Todesfälle bei Angehörigen oder die Trennung der Eltern betrafen dagegen nur jedes sechste bzw. zehnte Kind.
Quelle: Informationsdienst Wissenschaft e.V.