Mehr als jeder Zweite geht auch krank zur Arbeit
Archivmeldung vom 20.11.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittErnsthafte Beschwerden halten viele Arbeitnehmer heute nicht davon ab, weiter ihrer Arbeit nachzugehen: Knapp zwei Drittel der Beschäftigten gaben an, es sei im letzten Jahr vorgekommen, dass sie zur Arbeit gegangen seien, obwohl sie sich richtig krank gefühlt hätten.
Dies ergab eine repräsentative
Befragung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), deren
Ergebnisse heute im aktuellen Fehlzeiten-Report 2007 vorgestellt
wurden. Darüber hinaus wird ebenfalls deutlich, dass jeder dritte
Arbeitnehmer mit gesundheitlichen Beschwerden am Arbeitsplatz
erschien, obwohl der Arzt davon abgeraten hatte. Diese Ergebnisse
gehen einher mit in den letzten Jahren kontinuierlich rückläufigen
Krankenständen. So sank bei den rund 9 Millionen erwerbstätigen
AOK-Mitgliedern der Krankenstand im Jahr 2006 von 4,4 Prozent auf 4,2
Prozent und erreichte damit den niedrigsten Wert seit mehr als zehn
Jahren.
Sowohl die Zahl der Krankmeldungen als auch die Zahl der
krankheitsbedingten Ausfalltage nahm im Jahr 2006 im Vergleich zum
Vorjahr weiter ab. So hat der Anteil der Beschäftigten, die das ganze
Jahr überhaupt nicht krank geschrieben waren, weiter zugenommen. Er
stieg von 48,5 Prozent im Vorjahr auf 50,7 Prozent im Jahr 2006. Im
Durchschnitt waren die AOK-Mitglieder 15,4 Kalendertage krank
geschrieben. Im Jahr zuvor waren es noch 16,0 Tage gewesen. In
Ostdeutschland fiel der Krankenstand mit 4,0 Prozent noch niedriger
als im Westen aus. Dort lag er bei 4,3 Prozent. Bekanntermaßen
differieren zwischen den einzelnen Branchen die krankheitsbedingten
Fehlzeiten deutlich: Die niedrigsten Ausfallzeiten waren mit 2,7
Prozent im Kreditgewerbe und mit 2,2 Prozent in der Datenverarbeitung
zu verzeichnen. Dahingegen wurden die höchsten Ausfallzeiten mit 6,1
Prozent in der Abfall- und Abwasserbeseitigung sowie in der
Metallerzeugung und -bearbeitung, der Tabakverarbeitung und der
Recyclingbranche (jeweils 5,2 %) erreicht. Die niedrigen
Krankenstände des Jahres 2006 sind nach Einschätzung des WIdO u.a.
auf Veränderungen in der Beschäftigtenstruktur und eine verbesserte
Gesundheitsvorsorge in den Betrieben zurückzuführen. Umfragen zeigten
auch, dass sich viele Arbeitnehmer mit Krankmeldungen zurückhalten,
um ihren Arbeitsplatz nicht zu gefährden.
So gehen neun von zehn Arbeitnehmern (93,0 %) auch dann zur
Arbeit, wenn es ihnen "nicht so gut geht". Bagatellerkrankungen wie
"eine leichte Erkältung oder Kopfschmerzen" sind für die meisten
Arbeitnehmer (77,0 %) kein Grund, sich krank zu melden. Bei
erwerbstätigen Frauen ist der Anteil derer, die trotz Krankheit ihrer
Arbeit nachgingen, deutlich höher als bei Männern (Frauen: 64,4 %,
Männer: 58,9 %). Auch der Anteil der Frauen, die entgegen ärztlichem
Rat zur Arbeit gingen, sei erheblich höher als bei den Männern, so
die Herausgeber des Fehlzeiten-Reports. Dies zeige, dass
offensichtlich viele Frauen im Arbeitsleben unter anderen Belastungen
stünden als die Männer: Insbesondere gelte dies für alleinerziehende
und chronisch kranke Frauen.
Als Beweggründe für das Arbeiten trotz gesundheitlicher
Beschwerden wurden am häufigsten eine hohe Arbeitsbelastung (48,5 %)
und die Angst um den Arbeitsplatz (30,2 %) angegeben. Als weitere
Gründe wurden von den Befragten Verantwortung und Pflichtgefühl (13,3
%), die Vermeidung von Ärger mit Kolleginnen und Kollegen (11,5 %)
sowie Probleme mit dem Arbeitgeber bei Krankmeldungen (9,2 %)
genannt. Die Mehrzahl der Beschäftigten befürchtet berufliche
Nachteile bei häufigen Krankschreibungen. Viele Arbeitnehmer sehen
daher davon ab, sich krank zu melden und warten das Wochenende ab, um
sich auszukurieren. Fast jeder Fünfte gab an, im letzten Jahr zur
Genesung Urlaub genommen zu haben. Die Mehrheit der Beschäftigten
(82,4 %) meldet sich nur mit ärztlichem Attest krank.
In seinem Schwerpunktteil beschäftigt sich die diesjährige Ausgabe des Fehlzeiten-Reports mit dem Thema "Arbeit, Geschlecht und Gesundheit". Frauen und Männer unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen, ihrer Krankheiten und gesundheitlichen Beeinträchtigungen, ihres Umgangs mit gesundheitlichen Beschwerden und der Nutzung der Angebote gesundheitlicher Versorgung, so die Herausgeber des Fehlzeiten-Reports. Im Bereich der betrieblichen Gesundheitspolitik würden geschlechtsspezifische arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren und Erkrankungen oft nicht ausreichend erfasst und bei der Planung und Umsetzung betrieblicher Gesundheitsförderungsmaßnahmen zu wenig bedacht. Vieles spreche dafür, dass sich die Qualität und Wirksamkeit von Prävention und Gesundheitsförderung verbessern lasse, wenn geschlechtsspezifische Unterschiede und Problemlagen stärker berücksichtigt würden. Wie dies geschehen könne, würde im Fehlzeiten-Report anhand von Praxisbeispielen aufgezeigt. So müsse in den Betrieben mehr dafür getan werden, dass Frauen Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren könnten. So könne beispielsweise Frauen durch gezielte Maßnahmen der oft schwierige Wiedereinstieg in den Beruf erleichtert werden, wie ein Projekt der AOK für den Bereich der Altenpflege zeige.
Quelle: Pressemitteilung Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO)