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Wissenschaftler wirft deutschen Psychotherapeuten "Selbstbezogenheit" vor

Archivmeldung vom 18.06.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.06.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Daniela B.  / pixelio.de
Bild: Daniela B. / pixelio.de

Der Psychologieprofessor Hans-Ulrich Wittchen hat deutliche Kritik an den deutschen Psychotherapeuten geübt. Er sehe "in diesem Berufsstand eine gewisse Selbstbezogenheit", sagte der Direktor des Instituts für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Technischen Universität Dresden dem Nachrichtenmagazin "Focus". "Die wissenschaftlich besten Verfahren werden oft nicht eingesetzt, es fehlt eine optimale Steuerung", präzisierte er. Als Folge dauere die Therapie einer Angststörung in Deutschland durchschnittlich 30 Tage, in Großbritannien, den Niederlanden und den USA hingegen nur ein Drittel dieser Zeit. "Dazu kommt, dass der Berufsstand unabhängige Qualitätssicherung ablehnt", so Wittchen zu "Focus".

Wittchen und sein Kollege Frank Jacobi leiteten in der aktuellen Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland eine Untersuchung von mehr als 5.300 Probanden auf psychische Störungen. Sie ergab, dass jeder Dritte innerhalb eines Jahres wenigstens zeitweilig an einer oder mehreren psychischen Störungen erkrankt. Am häufigsten sind dabei Angststörungen, gefolgt von Alkoholstörungen und Depressionen.

Wittchen warnte in "Focus" angesichts der langen Wartezeiten für Patienten vor Verschlimmerungen gerade bei jenen, die an leichteren Formen psychischer Störungen erkrankten. Viele Haus- und Kinderärzte suchten "verzweifelt einen Psychiater oder Psychotherapeuten" für ihre Patienten mit Angst-, depressiven, Schlaf- und Schmerzstörungen. "Selbst für depressive Patienten ergeben sich Wartezeiten von mehr als sechs Monaten, sodass viele aus dem Arbeitsprozess herausfallen oder psychisch krank werden", so Wittchen. Dies sei vor allem durch Strukturprobleme verursacht, nur regional würden mehr Psychiater und Psychotherapeuten gebraucht.

Wittchen forderte in "Focus" ein Versorgungsstrukturgesetz, "das die Psychotherapeuten zwingt, qualitätsgesichert die wirksamsten Verfahren anzuwenden, um dann mehr und vor allem ein breiteres Spektrum an Patienten zu nehmen". So könne sich der Professor "vorstellen, dass jeder Psychotherapeut drei Hausärzten zugeteilt ist und deren Behandlungsfälle auch übernehmen muss".

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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