Ärzte gegen Impfkampagne bei Kindern ohne Stiko-Empfehlung
Archivmeldung vom 01.06.2021
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićNach der Zulassung des Covid-19-Impfstoffes von Biontech/Pfizer für Kinder in der EU haben Vertreter von Haus- und Kinderärzteverbänden eindringlich davor gewarnt, eine allgemeine Impfkampagne für Kinder und Jugendliche ohne die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) loszutreten.
"Die aktuelle Debatte um die Impfungen von Kindern und Jugendlichen zeigt symptomatisch ein Merkmal der Corona-Politik: Den Druck, für alle Bereiche, die von der Pandemie berührt werden, Beschlüsse verkünden zu müssen, selbst wenn die Verantwortung an ganz anderer Stelle liegt", sagte Ulrich Weigelt, der Chef des Deutschen Hausärzteverbandes, der "Welt".
Die Entscheidung darüber, wer wann wogegen geimpft wird, liege bei der Medizin. Die Regierenden hätten die öffentliche Debatte aber bereits vor der EU-Zulassung des Biontech-Impfstoffs für Kinder und Jugendliche in Schwung gebracht, vom Votum der Ständigen Impfkommission (Stiko) ganz zu schweigen. "Das schafft Verunsicherung in der Bevölkerung, die wir aktuell nicht gebrauchen können." Burkhard Rodeck, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) sagte: "Wenn wir impfen, tun wir das primär aus Eigennutz des Impflings."
Bei Corona wisse man aber, dass insbesondere die jüngeren Kinder eine sehr überschaubare primäre Krankheitslast hätten. Wenn jetzt vorschnell gefordert werde, auch ohne Stiko-Votum eine allgemeine Impfempfehlung auszusprechen, kämen die Ärzte "in ein ethisches Dilemma".
"Warum fordert die Politik diese aktive Impfstrategie? Wenn man ehrlich ist, tut sie das aus Gründen des Fremdnutzens für die Erwachsenen. Kinder werden geimpft, damit die Erwachsenen sich nicht anstecken und schwer erkranken", sagte Rodeck.
Daher sei man in Bezug auf die Datenlage dieser Impfung besonders vorsichtig. Für chronisch kranke Kinder mit dem Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs würde man eine Impfempfehlung sehr unterstützen, auch eine durch den Lockdown ausgelöste psychosoziale Problemlage könne eine individuelle Impfindikation sein. Für eine allgemeine Impfempfehlung reiche die Datenlage noch nicht aus. "Eltern sollten keine Angst vor der Impfung haben. Die Indikation sollte aber gut durchdacht sein."
Das Bundesgesundheitsministerium argumentiert hingegen, dass für die Impfung lediglich die Zulassung durch die Europäische Arzneimittelbehörde EMA ausschlaggebend sei, nicht aber die Empfehlung der Stiko. "Eine Impfung von Kindern und Jugendlichen ist - nach entsprechender ärztlicher Aufklärung - unabhängig von einer Stiko-Empfehlung dann zulässig, wenn der Impfstoff von der zuständigen Behörde zugelassen ist", sagte ein Ministeriumssprecher. Befürchtungen, wonach es Probleme mit der Abrechnung der Kinder-Impfungen geben könnte, wenn es keine entsprechende allgemeine Stiko-Empfehlung gibt, trat das Ministerium entgegen. "Nach Paragraf eins der Corona-Impfverordnung haben auch Kinder und Jugendliche einen Impfanspruch gegen Covid-19. Damit können Ärzte solche Impfungen auch abrechnen, wenn der Impfstoff für die jeweilige Altersgruppe zugelassen ist."
Quelle: dts Nachrichtenagentur