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Tränen sind nicht gleich Tränen

Archivmeldung vom 01.11.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.11.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Oliver Randak

Trauer, Schmerz oder Freude: Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das Weinen kann. Tränen erweichen Mitmenschen, klären Gefühle und spülen die Seele. Insgesamt vergießt ein Mensch durchschnittlich knapp 100 Liter Tränenflüssigkeit in seinem Leben. Doch die Tränendrüse produziert zwei Arten von Tränen.

Manchmal kommen sie lautlos, sammeln sich im inneren Augenwinkel und kullern dann als dicke Tropfen über die Wangen. Häufiger werden Tränen jedoch begleitet von Schluchzen, Wimmern und einer piepsigen Stimme. Weinen ist anstrengend, es beschleunigt die Atmung und den Herzschlag, der Blutdruck steigt.

„Es gibt zwei Arten von Tränen“, erklärt Johannes Nepp, Augenarzt an der Wiener Universitätsklinik und Vorstandsmitglied der Europäischen Gesellschaft für Dakryologie (Tränenkunde). Ein gesundes Auge ist stets mit einem Tränenfilm überzogen, der es vor dem Austrocknen schützt und mit Nährstoffen versorgt. Ohne Tränen würden die Zellen der vorderen Augenhornhaut eintrocknen und die Sehfähigkeit beeinträchtigt. Auch gleicht die Flüssigkeit kleine Unebenheiten der Hornhaut aus und sorgt so für eine klare Sicht. Um eine kontinuierliche Versorgung des Auges zu gewährleisten, wird dieser Film permanent von verschiedenen Drüsen am Lidrand und in der Augenoberfläche nachproduziert.

„Der Lidschlag verteilt die Flüssigkeit gleichmäßig über das Auge und entfernt dabei gleichzeitig eingedrungene Staubpartikel, ähnlich wie ein Scheibenwischer beim Auto“, veranschaulicht Nepp. Auch größere Fremdkörper können so ausgeschwemmt werden. Überschüssige Tränen fließen durch die sogenannten Tränenpünktchen im Innenwinkel des oberen und unteren Lidrands in den Tränenkanal ab und gelangen in die Nasenhöhle.

„Der Tränenfilm besteht aus drei Schichten“, erläutert der Wiener Tränenexperte. Die Äußerste ist fettig und wird von den Fettdrüsen am Lidrand gebildet. Sie verhindert das allzu schnelle Verdunsten der Tränen und durch ihre erhöhte Oberflächenspannung auch das Überlaufen der Flüssigkeit über das Unterlid. Die mittlere Schicht ist wässrig und enthält hochwirksame Enzyme, welche eventuell eingedrungene Bakterien und Keime abtöten können. „Zudem versorgt diese Flüssigkeitsschicht das Auge mit Sauerstoff und Nährstoffen“, sagt Nepp. Denn die Augenhornhaut hat keine Blutgefäße und kann daher nur von außen versorgt werden. Auch Hormone und Wachstumsfaktoren sind in dieser Flüssigkeit enthalten. Sie kurbeln die Zellerneuerung der Augenhaut und des Bindegewebes an.

Die wässrige Phase macht mit über 90 Prozent den größten Teil der Flüssigkeit aus und wird hauptsächlich von den Tränendrüsen produziert, welche sich an der Augenaußenseite unter dem Oberlid befinden. Die innerste Schicht, Muzinschicht genannt, ist wiederum fetthaltig und durch die zusätzlich enthaltenen Zuckermoleküle etwas schleimig. Ihre Zusammensetzung gewährleistet eine optimale Haftung des Flüssigkeitsfilms am Augapfel und ermöglicht die optimale Benetzung und damit Ernährung der äußeren Hornhaut. Sie wird größtenteils von den Becherzellen in der Bindehaut gebildet. Die Funktion der Tränendrüse wird durch den Tränennerv (Nervus lacrimalis) gesteuert, der mit dem zentralen Nervensystem verbunden ist.

„Soweit bekannt, ist der Mensch das einzige Lebewesen, das Tränen nicht nur als Reflex auf die drohende Austrocknung oder Reizung des Auges bildet“, sagt Johannes Nepp. Er kann auch gefühlsbedingt weinen. Die Flüssigkeit, die sich dann im Auge sammelt und in Tropfen über die Wangen und sogar aus der Nase rinnt, unterscheidet sich in ihrer Zusammensetzung allerdings deutlich vom permanent gebildeten Tränenfilm.

„Emotionales Weinen hat für das Auge selbst keine Bedeutung“, erklärt Johannes Nepp. Diese Tränen enthalten kaum die für die Funktion und Versorgung des Auges wichtigen Substanzen. Stattdessen haben Wissenschaftler in ihnen Stoffe nachgewiesen, die der Körper unter Stress produziert. „Was auch immer der Auslöser Ihrer Tränen ist, lassen Sie sie laufen“, empfiehlt daher Bernd Ahrbeck, Psychologe an der Humboldt-Universität Berlin. Sei es aus übermächtigem Schmerz – ob körperlich oder seelisch spielt dabei keine Rolle –, aus Wut, Enttäuschung, oder vielleicht auch Angst. „Weinen ist im Allgemeinen vor allem der Ausdruck von Hilflosigkeit“, sagt Ahrbeck. Tränen sind ein deutliches Signal für die Umwelt. Es zeigt, dass der Weinende sich in einer Situation befindet, die er nicht unter Kontrolle hat und die ihn überfordert. Dies gilt sogar für Freudentränen.

„Tränenbildung lässt sich sehr schwer und auch nur bis zu einem gewissen Grad kontrollieren“ erläutert Ahrbeck. Da sie sich nicht verstecken lassen, empfinden viele Menschen Weinen im Beisein anderer Personen als peinlich, schämen sich für ihre vermeintliche Schwäche. Auch die Umstehenden fühlen sich oft peinlich berührt, können die Tränen des anderen nur schwer ertragen, sich aber auch nicht einfach abwenden.

„Um solche Situationen zu vermeiden, weinen die Meisten alleine oder nur im Beisein von engen Freunden“, sagt Ahrbeck. Bevorzugt werden ungestörte Orte – wenn möglich, die eigenen vier Wände, bei der Arbeit dient oftmals die Toilette als Zuflucht. Dabei gehören Tränen zu den Grundäußerungen des Menschen. Schon im Alter von drei Wochen kann ein Baby nicht nur Schreien, sondern auch durch Weinen verständlich machen, dass ihm etwas fehlt. „Das Weinen ist also eine sehr ursprüngliche Kommunikationsform, die jeden anspricht. Es ist ein Hilferuf an die Umwelt, um Aufmerksamkeit zu bekommen und Fürsorge zu wecken“, erklärt Ahrbeck die Betroffenheit, die Tränen anderer oft auslösen.

Weinen kann demnach auch manipulierend wirken und dies gilt – allen Klischees zum Trotz – für männliche wie weibliche Tränen in gleichem Maße. Allerdings: Der Schlagertitel „Tränen lügen nicht“ stimmt schon, sagt der Psychologe. Sie spiegeln immer tatsächliche Empfindungen wider. „Wie nah jemand am Wasser gebaut ist, hängt davon ab, wie viel Gefühl die Person zulässt oder wie gut sie sich in eine Situation hineinfühlen kann“, meint Bernd Ahrbeck. Schauspieler zum Beispiel sind dafür oft besonders begabt, mitunter müssen sie sich diese Fähigkeit aber auch regelrecht antrainieren.

Tränen können auch verbindend wirken. Gemeinsames Weinen lässt zwischen Menschen häufig ein inniges Gefühl von Vertrautheit entstehen. „Auch wenn die Tränen selbst keine akute Besserung bringen, hilft vielen Menschen die Erfahrung weiter, mit ihren Problemen nicht alleine dazustehen“, beschreibt Ahrbeck. Und mit der durch das Weinen herbeigerufenen Hilfe lässt sich so manch schwierige Situation besser meistern.

Zudem ist der Abbau von aufgestauten Gefühlen gesund. „Weinen dient dazu, dass der Mensch sich psychisch reguliert und von unangenehmen Erfahrungen befreit“ sagt Ahrbeck. Es ist also ein Verarbeitungsprozess. Danach fühlt sich der Betroffene üblicherweise erleichtert, aber auch erschöpft. Und das nicht nur seelisch, sondern auch körperlich. Zwar verliert der Körper durch die Tränen kaum nennenswerte Flüssigkeitsmengen, starkes Weinen erhöht jedoch die Herzschlagfrequenz und durch die unregelmäßige Atmung wird viel Energie verbraucht. So positiv Tränen aus psychologischer Sicht also auch sein mögen, auf den Körper trifft das nicht uneingeschränkt zu. „Übermäßiges Weinen kann das Auge reizen und zu Dauerstress führen“, warnt Ulrich Dietze, Ärztlicher Direktor der Augenklinik Berlin-Marzahn. Solche Zustände seien aber eher die Ausnahme und in der Regel zeitlich begrenzt.

Scheinbar ohne Grund fließende Tränen begegnen dem Augenarzt in der Praxis dagegen wesentlich häufiger.

Sie sind stets ein Alarmsignal des Körpers und können Symptom für die unterschiedlichsten Augenerkrankungen sein. Tränen werden durch jede Art von Reizung ausgelöst“, sagt Dietze. Das kann ein Fremdkörper im Auge sein, aber auch Kälte, ein Luftzug, die Dämpfe einer aufgeschnittenen Zwiebel oder infektiöse Erreger. Bei Kleinkindern sind tränende Augen anatomisch bedingt sogar relativ häufig. Durch ihre noch nicht voll entwickelte Nasenform kann der Tränenabflusskanal verengt sein und die überschüssige Flüssigkeit läuft aus den Augenwinkeln. „Das Nasenbein richtet sich bei Babys erst im Alter von etwa einem Jahr langsam auf“, erklärt Dietze das Phänomen. Dabei straffen sich üblicherweise auch die Tränengänge und die Triefaugen verschwinden von alleine. Sollte dies einmal nicht der Fall sein, können die Kanäle mit einer Sonde vorsichtig geweitet werden.

Genauso unangenehm und sichtbehindernd wie tränende Augen kann auch der Mangel an Tränenflüssigkeit, das sogenannte Sicca-Syndrom, sein. Ist der Flüssigkeitsfilm über dem Auge zu dünn oder falsch zusammengesetzt, wird das Auge schnell gereizt und die normalerweise weiß aussehende Bindehaut wirkt gerötet. „Vorübergehend ist ein solcher Zustand für das Auge nicht unbedingt gefährlich“, sagt Dietze. Trockene Augen sind allerdings sehr anfällig für Infektionen. Werden die Beschwerden nicht behandelt, drohen daher Bindehaut- und Hornhaut- und Lidrandentzündungen, im fortgeschrittenen Stadium auch Geschwüre und in der Folge Narbenbildung. Die Sehfähigkeit kann dann bis zur Erblindung beeinträchtigt werden, warnt der Arzt.

Trockene Augen haben viele Ursachen: Nervenschäden, Diabetes und verschiedene Medikamente, aber auch ein Hormonmangel können die Tränenbildung beeinträchtigen. Vor allem ältere Menschen leiden unter dem Flüssigkeitsmangel im Auge, die Mehrzahl der Betroffenen sind Frauen. „Mit den Wechseljahren verändert sich der Stoffwechsel, und der Hormonspiegel sinkt“, erläutert Ulrich Dietze. Eine kausale Therapie für trockene Augen gibt es in diesem Fall nicht, Hormongaben können das Problem nur selten ganz beheben. Linderung bringen Augentropfen, deren Zusammensetzung den echten Tränen nachempfunden ist.

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