Freie Ärzteschaft: Gute Medizin braucht Therapiefreiheit und eine stabile Finanzierung
Archivmeldung vom 14.11.2016
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Freigeschaltet durch André OttDie Verteidigung des Arztberufes als freien Beruf ist eine Daueraufgabe und wird vor allem für den freiberuflichen Arzt mit eigener Praxis schwerer. Darin waren sich alle Experten in der öffentlichen Fachdiskussion, zu der die Freie Ärzteschaft (FÄ) am Samstag nach Düsseldorf geladen hatte, einig. "Zunehmende Planwirtschaft, Managed-care-Medizin und Einschränkungen der Therapiefreiheit setzen die Ärzte immer mehr unter Druck und gefährden die Behandlungsqualität", sagte FÄ-Vorsitzender Wieland Dietrich.
Die Intransparenz des Sachleistungsprinzips belaste zudem nicht nur die Ärzte, sondern auch die Patienten. Die Freie Ärzteschaft fordert daher Transparenz hinsichtlich Leistungen und Kosten nach dem Prinzip der Kostenerstattung. "Auch eine angemessene Selbstbeteiligung der Patienten beim Aufsuchen eines Notdienstes muss diskutiert werden, um die überbordende Inanspruchnahme zu drosseln", betonte Dietrich. Des Weiteren müssten die Budgets abgeschafft werden, da sie "maßgeblich für die Über- und Fehlregulierung des Gesundheitswesens verantwortlich sind".
Kassen erpressen "einträgliche Diagnosen"
Um mehr Geld aus dem Gesundheitsfonds zu bekommen, streben die gesetzlichen Krankenkassen nach "einträglichen Diagnosen", berichtete FÄ-Vizevorsitzende Dr. Silke Lüder. Hier liege ein Systemfehler vor, den die Gesundheitspolitik selbst mit der Geldverteilungssystematik des Risikostrukturausgleichs hervorgerufen habe. "Es gibt seitdem eine skandalöse Verquickung zwischen Geld und Diagnosecodes, die im Interesse der ärztlichen Therapiefreiheit wieder beendet werden muss. Hier ist der Gesetzgeber in der Verantwortung", so Lüder.
Die Hamburger Allgemeinärztin erläutert, was das für die Patienten bedeutet: "Im Zeitalter zentraler Datenspeicherung können solche Diagnosecodes noch Jahre oder Jahrzehnte später großen persönlichen Schaden anrichten, etwa bei Versicherungen, Bewerbungen oder Verbeamtungen." Die Freie Ärzteschaft lehne jede Art der Einschränkung der ärztlichen Therapiefreiheit ab. Zudem verschärfe jedes weitere Drehen an der Bürokratieschraube mittels neuer zentraler Kodierrichtlinien das Problem mangelnder Praxisnachfolger.
GOÄ: "Ein Inflationsausgleich sähe anders aus"
Rechtsanwalt Michael Lennartz, Experte im Heilberuferecht und Lehrbeauftragter der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, hat den Entwurf der geplanten neuen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) analysiert. Sein Fazit: "Den Paragrafenteil kann man nur als vollkommen misslungen bezeichnen. Die GOÄ verlässt damit die bisherige Systematik.
Mit der Fixierung auf einen Einfachsatz ergeben sich praktisch Zwangseinheitsgebühren nach Vorbild des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)." Auch die ersten durchgesickerten Preise für ärztliche Grundleistungen ließen nichts Gutes erahnen. Beispielsweise würde Beratung künftig mit neun Prozent mehr Honorar vergütet - allerdings nach 20 Jahren Stillstand. "Ein Inflationsausgleich sähe anders aus", betonte Lennartz. Und von dem eigentlich geforderten laufenden Inflationsausgleich sei auch gar keine Rede mehr.
Besonders kritisch sieht der Jurist zudem die geplante Gemeinsame Kommission (GeKo) aus Ärztevertretern, Privaten Krankenversicherungen (PKV) und Beihilfe. "Das ist nichts anderes als eine Parallelstruktur zum GKV-System mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) - das hat im privatärztlichen Bereich schlicht nichts zu suchen. Der privatärztliche Vertrag besteht zwischen Patient und Arzt. Hiervon ist das Rechtsverhältnis von Patient und PKV/Beihilfe strikt zu trennen." Außerdem bestehe im privatärztlichen Bereich kein umfassender Versorgungsauftrag wie in der GKV, der die Begründung eines Dreieckssystems Patient-Arzt-GeKo rechtfertige.
Vorstand bestätigt
Bei ihrer anschließenden Mitgliedsversammlung hat die Freie Ärzteschaft ihren Vorstand für die nächsten zwei Jahre gewählt. Neben dem Bundesvorsitzenden Wieland Dietrich und seinen beiden Stellvertretern Dr. Silke Lüder und Dr. Axel Brunngraber sind Dr. Christian Scholber als Schatzmeister und Dr. Heinz-Jürgen Hübner als Schriftführer mit großer Mehrheit in ihren Ämtern bestätigt worden.
"Wir freuen uns, unsere konstruktive Zusammenarbeit fortführen zu können", sagte Wieland Dietrich. "Die FÄ wird sich weiter konsequent für die Freiberuflichkeit der Ärzte und eine unabhängige, persönliche Medizin einsetzen. Wir werden die Entwicklungen im Gesundheitswesen kritisch beobachten und Diskussionen anstoßen. Haus- und Fachärzte müssen an einem Strang ziehen, um die wohnortnahe, ambulante medizinische Betreuung der Bevölkerung zu erhalten."
Über die Freie Ärzteschaft e.V.
Die Freie Ärzteschaft e. V. (FÄ) ist ein Verband, der den Arztberuf als freien Beruf vertritt. Er wurde 2004 gegründet und zählt heute mehr als 2.000 Mitglieder: vorwiegend niedergelassene Haus- und Fachärzte sowie verschiedene Ärztenetze. Vorsitzender des Bundesverbandes ist Wieland Dietrich, Dermatologe in Essen. Ziel der FÄ ist eine unabhängige Medizin, bei der Patient und Arzt im Mittelpunkt stehen und die ärztliche Schweigepflicht gewahrt bleibt.
Quelle: Freie Ärzteschaft e.V. (ots)