Kinder oft stärker mit Chemikalien belastet als ihre Mütter
Archivmeldung vom 06.10.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer WWF weist in der heute in Brüssel veröffentlichten Studie "Generation X" im Blut von 13 europäischen Familien 73 bedenkliche Industriechemikalien nach. An der in Familien aus zwölf Ländern durchgeführten Untersuchung nahmen jeweils Großmutter, Mutter und ein Kind teil. Die meisten Chemikalien fanden sich bei den Großmüttern (63). Die teilnehmenden Kinder hatten mehr Schadstoffe (59) im Blut als ihre Mütter (49).
Zudem wurden bei der jüngsten Generation einige der Chemikalien in den höchsten Konzentrationen nachgewiesen. Auch eine deutsche Familie beteiligte sich an dem Test.
Angesichts der Besorgnis erregenden Befunde fordert der WWF die
Europäische Union auf, bei der Entscheidung über die
Chemikalienrichtlinie REACH den Schutz von Umwelt und Gesundheit in
den Vordergrund zu stellen. Der Gesetzentwurf dürfe nicht noch weiter
abgeschwächt werden. "Es ist ein erschreckendes Ergebnis: Das Blut
unserer Kinder ist mit Chemikalien belastet, über deren Wirkung wir
kaum etwas wissen", sagte WWF-Expertin Dr. Ninja Reineke. "Viele der
Schadstoffe stecken in Alltagsprodukten."
Aus Deutschland beteiligte sich Familie Münster aus Speyer an dem
WWF-Test. Bei der Großmutter der Familie, Elfriede Hemminger, fanden
sich etwas weniger Industriechemikalien als bei den anderen
Vertreterinnen der älteren Generation. Bei Mutter Doris und Tochter
Caroline Münster wurden hingegen mehr Schadstoffe nachgewiesen als
bei den anderen Teilnehmern ihrer Generation. "Kein Mensch möchte mit
einem Giftcocktail im Blut leben. Wir hoffen, dass diese Ergebnisse
Politik und Industrie aufrütteln", so die 45jährige Doris Münster. In
der kommenden Woche werden die Münsters gemeinsam mit den anderen
Familien aus Europa nach Brüssel reisen, um den EU-Parlamentariern
persönlich ihre Bedenken vorzutragen. Die erste Lesung der
Chemikalienrichtlinie REACH findet im November statt.
Die Blutproben der 13 Familien wurden auf 107 langlebige, sich
anreichernde und/oder hormonell wirksame Industriechemikalien
untersucht. Die WWF-Studie zeigt, dass jedes Familienmitglied mit
einem Cocktail aus mindestens 18 Schadstoffen belastet ist. Neuere
Chemikalien, die in Computern, Textilien, Kosmetika oder
Elektrogeräten enthalten sind, wurden häufiger und in höheren
Konzentrationen bei den Kindern gefunden. Dazu zählen bromierte
Flammschutzmittel, so genannte "Anti-Haft-Stoffe" oder synthetische
Moschusverbindungen. Die Großmütter waren dagegen zumeist stärker mit
älteren und bereits verbotenen Chemikalien wie DDT oder PCB belastet.
Das Flammschutzmittel TBBP-A, das in Platinen elektronischer
Geräte eingesetzt wird, wurde bei 18 Familienmitgliedern nachgewiesen
(3 Großmütter, 7 Mütter und 8 Kinder). Die höchste Konzentration fand
man im Blut eines Kindes. Von 31 verschiedenen untersuchten
Flammschutzmitteln des Typs PBDEs fanden sich 17 in der jüngsten
Generation, im Vergleich zu 10 bei den Großmüttern und 8 bei den
Müttern. Und die höchste Konzentration der für die Herstellung
bestimmter Kunststoffe verwendeten Chemikalie Bisphenol A - eine
Substanz, die bereits in minimalen Mengen das Hormonsystem
beeinträchtigen kann - wurde ebenfalls in einem Kind nachgewiesen.
Die neue WWF-Studie bestätigt die Ergebnisse früherer Bluttests
bei EU-Ministern, EU-Parlamentariern, Wissenschaftlern und
Prominenten: Viele der nachgewiesenen Chemikalien sind langlebig und
reichern sich über die Jahrzehnte im menschlichen Körper an. "REACH
muss sicherstellen, dass von den Herstellern ausreichend
Informationen vorgelegt werden, um insbesondere die
Langzeitauswirkungen der Chemikalien beurteilen zu können. Und das
geplante Zulassungsverfahren muss einen starken Anreiz setzen,
gefährliche Chemikalien durch ungefährliche Alternativen zu
ersetzen", forderte WWF-Expertin Reineke.
Quelle: Pressemitteilung WWF