Überlastung treibt Krankenpflegekräfte in die Leiharbeit
Archivmeldung vom 19.06.2017
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Freigeschaltet durch André OttImmer mehr Krankenpfleger wechseln von ihrer Festanstellung in die Leiharbeit, weil sie sich als feste Kräfte überlastet fühlen. Das ergaben Recherchen von NDR 1 Niedersachsen und "Hallo Niedersachsen". Offenbar sind die Arbeitsbedingungen in den Kliniken mittlerweile so schlecht, dass viele Krankenpflegekräfte nur noch den Weg in die Leiharbeit sehen, weil sie sich so besser vor Mehrarbeit geschützt sehen.
NDR 1 Niedersachsen und "Hallo Niedersachsen" berichten von einem Krankenpfleger, der seine unbefristete Festanstellung bei Niedersachsens größter Klinik, der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), aufgeben hat. Aufgrund der hohen Arbeitsbelastung in der Festanstellung arbeitet er nun als Krankenpfleger für eine Leiharbeitsfirma an gleicher Stelle. Als Pflege-Leiharbeiter muss er nun keine Nachtdienste mehr machen, arbeitet nur noch einmal im Monat am Wochenende und bekommt dafür in etwa das gleiche Gehalt wie als Festangestellter.
Brigitte Horn von der Gewerkschaft ver.di in Hannover beobachtet diese Entwicklung bereits seit einigen Monaten. Sie spricht im Interview mit dem NDR sogar von einem Trend und einem neuen Phänomen in der Krankenpflege.
Die Kliniken seien mittlerweile in der Pflege auf Leiharbeiter angewiesen, sagt Helge Engelke, Direktor der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft. Wegen des Mangels an Pflegekräften müssten Klinikchefs Pflege-Leiharbeiter einsetzen, um die Rund-um-die-Uhr-Versorgung im Krankenhaus gewährleisten zu können, räumt der Verbandsdirektor ein.
Diesen Trend bemerkt auch eine Leiharbeitsfirma, die Pflegekräfte ausleiht: Derzeit steige die Zahl der vermittelten medizinischen Fachkräfte jährlich um 15 Prozent, sagt Thomas Pietruschinski, Geschäftsführer von Pluss Personalmanagement in Hannover. 80 Prozent der Bewerber haben zuvor fest angestellt in einem Krankenhaus gearbeitet, so eine Disponentin der Firma.
Den Recherchen von NDR 1 Niedersachsen und "Hallo Niedersachsen" zufolge ist die Pflegeleiharbeit in der MHH allerdings noch die Ausnahme. Bei 2137 festangestellten Krankenpflegekräften (inklusive Teilzeitkräften) hat die Klinik nach eigenen Angaben im Jahr 2015 gerade einmal 30 Leiharbeiter eingesetzt. Im vergangenen Jahr habe sich die Zahl allerdings bereits verdoppelt. Und in den ersten drei Monaten dieses Jahres waren es auch schon wieder 47, was auf einen weiteren Anstieg hindeutet.
Auch offizielle Zahlen belegen die hohe Arbeitsbelastung als Grund für die Flucht in die Leiharbeit. Den Recherchen zufolge haben Niedersachsens Gewerbeaufsichtsämter im vergangenen und im laufenden Jahr bei Stichproben in 19 Krankenhäusern mehr als 150 Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz festgestellt. Das sind nur Fälle aufgrund von Kontrollen nach konkreten Hinweisen. Die Dunkelziffer sei wesentlich größer, vermuten Betriebsräte.
Quelle: NDR Norddeutscher Rundfunk (ots)