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Pharmaindustrie zahlte Geld an 17.000 Ärzte für umstrittene Studien

Archivmeldung vom 10.03.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 10.03.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: pixelio.de/Sturm
Bild: pixelio.de/Sturm

Die Pharmaindustrie zahlt jährlich etwa 100 Millionen Euro an Ärzte in Deutschland für die Mitarbeit an umstrittenen Studien. Das geht aus einer gemeinsamen Datenauswertung von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung mit dem Recherchezentrum Correctiv.org hervor. Die Journalisten hatten erstmals alle in Deutschland gemeldeten "Anwendungsbeobachtungen" der Jahre 2009 bis 2014 ausgewertet. Bei diesen Beobachtungen handelt es sich nach Einschätzung von Wissenschaftlern größtenteils um Scheinstudien an Patienten, die vor allem dazu dienen, den Umsatz bestimmter Medikamente zu fördern.

Grundlage der Recherche waren Meldungen zu mehr als 1300 Anwendungsbeobachtungen, die die Pharmaunternehmen an die Kassenärztliche Bundesvereinigung übermittelt haben [und die durch die Journalisten nun erstmals ausgewertet wurden]. Demnach haben allein im Jahr 2014 rund 17.000 Ärzte an Anwendungsbeobachtungen teilgenommen und dafür im Schnitt 669 Euro pro Patient bekommen. Im Zeitraum 2009 bis 2014 flossen durchschnittlich etwa 100 Millionen Euro an Honoraren für die Übermittlung von Daten zu rund 1,7 Millionen Patienten.

Der Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), Prof. Dr. Jürgen Windeler, bezeichnet im ARD-Magazin "Panorama" vom NDR diese Anwendungsbeobachtungen als "wissenschaftlich wertlos". Der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig, kritisiert vor allem die weit verbreiteten Anwendungsbeobachtungen bei generischen Krebsmedikamenten. "Ich vermute, dass man mit Hilfe von Anwendungsbeobachtungen Ärzte auf einzelne Hersteller einschießen will."

Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) teilte dagegen auf Anfrage mit, Anwendungsbeobachtungen seien ein "unverzichtbares Instrument für die Arzneimittelforschung". Denn anders als bei klinischen Studien würden hier Informationen über Arzneimittel unter Alltagsbedingungen gewonnen.

Kritik an dem nun erstmals bekannt gewordenen Ausmaß dieser umstrittenen Studien kommt jedoch auch von Karl Lauterbach, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. "Es ist ganz klar Ziel der Pharmaindustrie, über diese Anwendungsbeobachtungen Patienten zu rekrutieren", sagt Lauterbach. Das Ausmaß zeige, dass die bisherigen Regelungen nicht ausreichten. Lauterbach fordert deshalb in "Panorama", dass Anwendungsbeobachtungen nur noch stattfinden dürfen, wenn sie "von dritter und unabhängiger Stelle geprüft und genehmigt werden."

Erstmals kann jeder Patient und jede Patientin nun selbst recherchieren, ob das eigene Medikament im Rahmen einer Anwendungsbeobachtung gefördert wird, und wie viel Geld die Pharmahersteller für bestimmte Präparate an Ärzte zahlen. Correctiv.org hat alle Meldungen der Jahre 2009 bis 2014 in eine frei zugängliche Datenbank übertragen, die ab Mittwochabend auf der Internetseite der Plattform verfügbar ist.

Quelle: NDR / Das Erste (ots)

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