Pharmaunternehmen erfinden Krankheiten
Archivmeldung vom 13.04.2006
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Freigeschaltet durch Michael DahlkeDisease-Mongering bringt den Unternehmen viel Geld
Wissenschaftler der Newcastle University in Australien http://www.newcastle.edu.au haben in der jüngsten Ausgabe des Public Library of Science Medicine http://medicine.plosjournals.org
vor den Praktiken der Pharmaunternehmen gewarnt, wonach Krankheiten
erfunden werden, um mehr Produkte zu verkaufen. Konkret kritisieren die
Experten etwa den Umgang der Pharmahersteller mit der Menopause als
gefährlich. Sie warnen davor, dass gesunde Menschen durch Medikamente
in ihrer Gesundheit geschädigt werden, in dem Zustände als Krankheiten
beschrieben werden, die gar keine sind. Dieser Umstand wird als Disease
mongering http://www.diseasemongering.org bezeichnet. Die Pharmaindustrie hingegen winkt ab und bestreitet diese Tatsachen.
Ein typisches Beispiel sei etwa die Behauptung der Pharmahersteller
in den USA, wonach 43 Prozent aller Frauen an sexueller Dysfunktion
leiden, berichten David Henry http://www.mediadoctor.org.au
und Ray Moynihan. "Disease mongering macht aus gesunden Menschen
Patienten, verschwendet Ressourcen und führt zu iatrogenen Schäden",
schreiben die Forscher in der Einleitung des Artikels. Zu den
Erkrankungen, die keine sind, zählen etwa hohe Cholesterin-Spiegel und
Osteoporose, aber auch seltene Erkrankungen wie das
Restless-Leg-Syndrom und leichte Irritationen im Darm.
"Disease-mongering ist das Verkaufen eines Leidens, das die Grenzen des
Krankseins ausdehnt und Märkte für diejenigen schafft, die Medikamente
herstellen, vertreiben und verkaufen", so die beiden Experten. "Das
Schlimme daran ist, dass diese Leiden von den Herstellern in bezahlten
Kampagnen so veranschaulicht werden, um Präparate dagegen zu
verkaufen." Dabei stehe nicht eine Heilung im Vordergrund, sondern der
Absatz eines Produkts.
Die Forscher richten ihren Appell auch an Mediziner, Patienten und
unterstützenden Gruppen sich den Marketingstrategien der Pharmakonzerne
bewusst zu werden. "Das Motiv von Gesundheitsprofessionisten wäre es
eigentlich für das Wohl der Patienten zu sorgen und nicht für die
eigenen finanziellen Vorteile", so die beiden Forscher. Eine Entzerrung
der verschiedenen Motive der teilnehmenden Akteure sollte ein Schritt
zu einem besseren Verständnis des Phänomens sein, zeigen sich die
Forscher überzeugt.
Richard Ley von der Association of the British Pharmaceutical
Industry meint, dass solche Forschungsergebnisse in erster Linie auf
den US-Markt abzielen. "Dort hat die Pharmaindustrie bei der Bewerbung
und beim Vertrieb einen wesentlich größeren Handlungsspielraum", so der
Experte. "Für Österreich ist das völlig unvorstellbar", meint
Christiane Körner, Vizepräsidentin der Österreichischen Apothekerkammer
http://www.apotheker.or.at,
im pressetext-Interview. "Da die meisten Präparate nur auf
Verschreibung durch den Arzt ausgehändigt werden dürfen, sind solche
Fälle ausgeschlossen." Eine Produktbewerbung von
verschreibungspflichtigen Präparaten sei darüber hinaus gesetzlich
verboten. Die Apothekerkammer wehre sich gegen andere Vertriebswege als
jene der Apotheken. "Selbst einfache Schmerzmittel können unter
Umständen schwere Nebenwirkungen haben, daher ist eine andere
Vertriebsschiene völlig unsinnig", so Körner. Die Ausbildung zum
Apotheker dauere länger als jene eines Mediziners. Daher sei das Wissen
um Inhaltsstoffe und die Aufklärung über Nebenwirkungen extrem wichtig,
so die Expertin abschließend.
Quelle: Pressemeldung Pressetext