Ärzteschaft: Ohrfeige für Standesvertretung
Archivmeldung vom 07.11.2016
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 07.11.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch André OttWie zufrieden sind die niedergelassenen Haus- und Fachärzte in Deutschland mit der Arbeit ihrer Landesärztekammer? Der Ärztenachrichtendienst (änd) startete eine bundesweite Umfrage unter den Medizinern. Das erste Ergebnis liegt nun vor - und sollte den Kammern schwer zu denken geben: Zwar erhielten sie in den Bereichen Fort- und Weiterbildung sowie bei der Schlichtung von Patientenbeschwerden noch brauchbare Noten. Ohrfeigen gab es jedoch für die kaum wahrnehmbare Öffentlichkeitsarbeit sowie bei der Vertretung ärztlicher Interessen nach außen.
Zu den Aufgaben einer Ärztekammer gehört die Vertretung ärztlicher Interessen nach außen - so lapidar ist es zumindest oft zu hören oder zu lesen. Die rund 1.200 an der Umfrage teilnehmenden Ärzte sind sich aber offenbar nicht so sicher, dass dies auch klappt: Satte 66 Prozent gaben an, dass dies der Kammer im eigenen Bundeland kaum oder gar nicht gelingt (im Schulnotensystem eine 4 bis 6). Ein "sehr gut" in diesem Bereich sehen sogar nur vier Prozent. Ebenfalls bedenklich: Die Antwort auf die Frage nach der berufspolitischen Kompetenz der Führungspersonen. 64 Prozent der Umfrageteilnehmer sehen wenig oder keine Kompetenz in den Chefetagen der Landesärztekammern.
Ein wenig besser - wenn auch kein Ruhmesblatt - fallen die Antworten auf die Frage nach der Beratungskompetenz der Kammern bei berufsethischen oder berufsrechtlichen Fragen aus. 59 Prozent geben für die Beratungsleistungen schlechte Noten (4 bis 6). Die Note 3 vergaben immerhin 17 Prozent und 19 Prozent ein "gut". Das "sehr gut" für den Beratungsservice sprachen fünf Prozent der Ärzte aus.
Weiter sollten die Mediziner beurteilen, ob die Kammern Themen rund um die Fort- und Weiterbildung professionell und mitgliederfreundlich bearbeiten. Dem konnte immerhin mehr als jeder Zweite zustimmen - 56 Prozent gaben die Note 1 bis 3. Völlige Fehlleistungen in dem Sektor (die 6) attestierten nur 12 Prozent der Teilnehmer.
Ein wenig Aufatmen können die Kammern auch, was die Schlichtung von Patientenbeschwerden angeht: 63 Prozent der Ärzte glauben, dass die Kammern dabei einen guten oder zumindest brauchbaren Job machen. Nur 37 Prozent sehen die Arbeit in diesem Sektor eher kritisch - die Note 6 vergaben allerdings nur 10 Prozent der Teilnehmer.
Ein Warnsignal geht dagegen an die Presseabteilungen der Kammern. Die versendeten Mitgliederinformationen (Ärzteblatt, Rundschreiben, Newsletter) werden zwar von rund der Hälfte der Ärzte (49 %) als sehr interessant oder zumindest lesenswert eingeschätzt. Für die Öffentlichkeitsarbeit gibt es dagegen eine kräftige Watschn: Satte 67 Prozent der Ärzte konnten nur die Noten "ausreichend", "mangelhaft" oder "ungenügend" vergeben. Die schlechteste Note 6 ("Öffentlichkeitsarbeit nicht wahrnehmbar") kreuzte sogar jeder Dritte (29 Prozent) an.
Drastisch auch die Antworten auf die Frage nach dem von den Ärzten an die Körperschaften zu zahlenden Kammerbeitrag: Nur 12 Prozent der teilnehmenden Ärzte halten dessen Höhe ohne Abstriche für fair. 25 Prozent stöhnen zwar über einen ihrer Meinung hohen Beitragssatz - halten ihn aber gerade noch für angemessen. Eine Mehrheit von 64 Prozent findet den eigenen Kammerbeitrag dagegen "viel zu hoch".
Diese erste Umfrage des Ärztenachrichtendienstes zu diesem Thema mündete schließlich in einer Grundsatzfrage: Die Haus- und Fachärzte waren aufgefordert, folgenden Satz zu bewerten: "Die Arbeit der Ärztekammern ist wichtig und richtig - die Ärzteschaft braucht diese Einrichtungen."
27 Prozent der Teilnehmer hielten diesen Satz für voll zutreffend (Note 1), 19 Prozent für zutreffend (Note 2) und 10 Prozent für immerhin einigermaßen zutreffend (Note 3). Insgesamt geht die Runde also mit einem blauen Auge knapp an die Kammern: Eine dünne Mehrheit von 56 Prozent der Umfrageteilnehmer stehen deutlich hinter den Einrichtungen.
Doch Lorbeeren, auf denen man sich ausruhen kann, sehen wahrlich anders aus: 10 Prozent der Ärzte haben Zweifel daran, dass die Ärzteschaft die Kammern unbedingt braucht (Note 4). 13 Prozent äußern deutliche Zweifel (Note 5) und ganze 21 Prozent sind sich ganz sicher: Die Ärzteschaft braucht die Kammern in der derzeitigen Form nicht ("Sechs, setzen").
Datenbasis: Die Online-Umfrage lief vom 01. bis zum 04. Oktober 2016. Insgesamt 1208 niedergelassene Haus- und Fachärzte aus dem ganzen Bundesgebiet beteiligten sich in dem vorgegebenen Zeitraum an der Umfrage. Der änd plant weitere Umfragen zu diesem Themenbereich.
Quelle: Ärztenachrichtendienst Verlags-AG (änd) (ots)