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Streit um Gesundheitsrisiko

Archivmeldung vom 09.07.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 09.07.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Oliver Randak

Einen Tag nach dem Uranunfall in der südfranzösischen Atomanlage Tricastin haben die Behörden weitgehend Entwarnung gegeben. Forscher weisen hingegen auf die immense Strahlenbelastung hin.

Die Sicherheitsvorkehrungen für die Bevölkerung wurden am Mittwoch zunächst aufrechterhalten. Die zuständige Präfektur verbot in drei Gemeinden das Baden und das Fischen in den Flüssen sowie die Wasserentnahme für Bürger und Bauern. Bei dem Unfall waren 360 Kilogramm abgereichertes Uran in die Umwelt gelangt. Die Atomaufsicht stufte das Risiko als „gering“ ein. Unabhängige Experten warnten dagegen vor der Giftigkeit des Urans und dem Krebsrisiko durch die Strahlung.

Der Unfall hatte sich am Dienstagmorgen bei Reinigungsarbeiten in einem Werk der Firma Socatri ereignet, die Atommüll behandelt und Material aus der Urananreicherungsanlage Eurodif aufbereitet. Dabei waren 30 Kubikmeter Flüssigkeit mit 360 Kilogramm abgereicherten Uran aus einem undichten Kessel entwichen. Ein Teil blieb auf dem Firmengelände, ein anderer Teil lief in nahe Gewässer. Socatri erklärte, nur 75 Kilogramm Uran seien tatsächlich in die Umwelt gelangt. Die Bevölkerung wurde erst Stunden später informiert.

Hohe Uranbelastung in Flüssen

Tricastin ist nach der Wiederaufbereitungsanlage La Hague die größte französische Atomanlage. Neben vier Kernreaktoren umfasst das Gelände geheime Militäranlagen, das Werk der Eurodif-Tochter Socatri und ein Lager für militärische Atomabfälle.

Die Atomaufsicht ASN stufte den Unfall in der Skala von null bis sieben auf eins. Die Uranbelastung der Rhône-Zuflüsse Gaffière und Auzon sei zwar 1000 Mal so hoch gewesen wie normal, nehme aber wegen der Verdünnung schnell ab. Ein Teil des Urans sei mit dem verseuchten Boden aufgenommen und entfernt worden.

Socatri erklärte zunächst, der von der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlene Höchstwert für die Trinkwasserbelastung sei kurzzeitig um das den Faktor 1000 überschritten worden. Am Mittwoch erklärte die Firma, Wasserproben hätten keine Belastung ergeben. Die Präfektur versicherte, für die Bevölkerung bestehe keine nennenswerte Gefahr. Die Bade- und Fischverbote seien eine Vorsichtsmaßnahme. Das Ausmaß der Strahlenbelastung werde in den kommenden Wochen systematisch gemessen werden. Das Grundwasser sei nicht betroffen.

Forscher kritisieren Verharmlosung

Die Umweltschutzbewegung Sortir du Nucléaire warf den Behörden hingegen vor, den Zwischenfall zu verharmlosen. Sie hält es für unmöglich, dass die Bevölkerung nicht gefährdet sei. Wer die Uranpartikel einatme oder mit dem Wasser aufnehme, setze sich einer erheblichen Krebsgefahr aus.

Die Kommission für Unabhängige Forschung und Information über Radioaktivität (CRIIRAD) erklärte, man könne davon ausgehen, dass die für das Gesamtjahr zulässige Obergrenze um das Hundertfache überschritten worden sei. Das unmittelbare Gesundheitsrisiko sei zwar nicht sehr hoch, doch der Vorfall belege die Unsicherheit der Anlage.

Abgereichertes Uran gibt etwa 60 Prozent der Strahlung von Natururan ab und ist hochgiftig. CRIIRAD forderte die Behörden auf, unverzüglich die gemessenen Strahlenwerte und die Analyse der Radionukleide mitzuteilen, um die Gefährdung der Anwohner beurteilen zu können. Das Institut für Strahlenschutz IRSN erklärte dagegen, derzeit bestehe keine Gefahr, denn die Leute können kein Wasser mehr aus diesen Flussläufen pumpen“. Außerdem würden Stichproben entnommen. „Jetzt geht es um die längerfristige Überwachung des Grundwassers.“

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