Direkter Draht zwischen Gehirn und Immunsystem
Archivmeldung vom 09.02.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittZwischen Gehirn und Immunsystem gibt es einen direkten "Draht" - jedenfalls bei Mäusen. Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig haben den Mäusedarm und die ihn umgebenden Blut- und Lymphgefäße mit ausgefeilten Mikroskopier- und Markierungstechniken gründlich untersucht.
Ihr Ergebnis: Zahlreiche Immunzellen im Gewebe rund um den Darm sind unmittelbar
mit Nervenfasern und Nervenzellen verknüpft. "Man kennt bereits viele Hinweise
darauf, dass die Immunabwehr teilweise unter dem Einfluss des Nervensystems
steht", sagt der Helmholtz-Wissenschaftler Dr. Kurt Dittmar. "Wir haben diese
Verbindung jetzt unter dem Mikroskop sehen können." Vermutlich, so Dittmar,
lägen die Verhältnisse beim Menschen nicht viel anders als bei der Maus: Auch
hier geht man davon aus, dass Gehirn und Psyche auf das Immunsystem einwirken.
"Für viele Infektions- und Autoimmunkrankheiten ist im klinischen Alltag ein
Zusammenhang zwischen der Psyche und der Schwere der Krankheit bekannt."
Über Einzelheiten dieses Wechselspiels wollen die Helmholtz-Forscher auf
der Basis ihrer Arbeit dennoch nicht spekulieren: "Wir wissen noch nicht, wie
das Nervensystem die Immunabwehr steuert", sagt Dittmar. "Die Erforschung dieser
Wechselwirkungen steht erst ganz am Anfang." Eher schon, so glaubt Dittmar,
könnten die erforschten Zellkontakte in naher Zukunft Aufschluss über manche
Infektionsprozesse geben:
"Krankheitserreger wie etwa die Prionen, die den Rinderwahn auslösen,
gelangen über den Darm in das Nervensystem. Vielleicht zeigt sich, dass sie den
Weg über die Lymphknoten des Darms nehmen - und dabei die
Nerven-Lymphgefäß-Verbindungen nutzen, die wir gefunden haben."
Neuartige Färbemethoden für Gewebe
Bei ihren Untersuchungen bedienten sich die Wissenschaftler der Immunhistochemie: Gegen Moleküle der Zelloberflächen, die jeweils nur in
einem bestimmten Gewebetyp vorkommen, werden Antikörper hergestellt, die man
farbig markieren kann. Unterschiedliche Gewebe erscheinen dann im Lichtmikroskop
in unterschiedlichen Farben. "Diese Methoden haben wir weiter entwickelt. Jetzt
können wir bis zu sieben Zelltypen gleichzeitig in histologischen Schnitten
charakterisieren", erklärt der Helmholtz-Gastforscher Bin Ma aus China. "Dabei
haben wir erstaunlich viele Kontakte zwischen Immun- und Nervenzellen sichtbar
gemacht.
B-Lymphozyten, T-Lymphozyten, dendritische Zellen - das sind einige der
wichtigsten Immunzell-Klassen - sie alle bilden Kontakte zu Nerven aus."
Dazu passt der Befund, dass in Lymphknoten rund um den Darm wie etwa den
Peyerschen Plaques, wo sich solche Abwehrzellen sammeln, etliche Nervenfasern
enden. Die Wissenschaftler fanden auch Hinweise darauf, dass Immunzellen die
Botenstoffe des Nervensystems, die Transmitter, wahrnehmen können.
Quelle: Pressemitteilung Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung