Katholischer Krankenhausverband bereitet Personal "auf unvorstellbare Lazarett-Szenarien" vor
Archivmeldung vom 24.03.2020
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Freigeschaltet durch André OttWegen der befürchteten Überlastung mit Corona-Kranken stellen die Katholischen Kliniken ihr Personal darauf ein, nicht alle Patienten behandeln zu können. "Wir versuchen in unseren Häusern, Ärzte und Pflegekräfte auf solche extremen Herausforderungen vorzubereiten, in denen sie eine Auswahl treffen müssen", sagte Ingo Morell, Vize-Vorsitzender des Katholischen Krankenhausverbandes Deutschland (kkvd), im Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ). Anlass seien Gespräche mit italienischen Kollegen.
"Wir setzen uns intensiv mit diesen eigentlich unvorstellbaren Lazarett-Szenarien auseinander und werden versuchen, eine seelsorgerische Betreuung des Personals sicherzustellen, damit Ärzte und Pflegekräfte in diesen Extremsituationen nicht alleine sind, sondern damit das gemeinsam getragen werden kann", sagte Morell. "Nach welchen Kriterien können solche Entscheidungen getroffen werden? Eine einfache Antwort wird es nie geben, und wir dürfen niemanden mit dieser Verantwortung alleinlassen." Den überarbeiteten Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für einen finanziellen Krankenhaus-Schutzschirm kritisierte der Verband als völlig unzureichend. "Wenn Spahn nicht sofort nachbessert, werden die ersten Häuser im April in Zahlungsschwierigkeiten kommen. Es braucht unbedingt kurzfristige Liquiditätshilfe in Form von Überbrückungskrediten, sonst wird es nicht gehen", warnte Morell in der "NOZ". "Wenn Mitarbeiter weiter befürchten müssen, am Ende des Tages blieben sie im Regen stehen, hat das eine verheerende psychologische Wirkung. Das darf nicht passieren! Denn wir schaffen es nur, wenn sich alle weiterhin maximal engagieren, wie sie es jetzt noch tun."
Die Verunsicherung in den Krankenhäusern sei auch nach dem am Montag vom Kabinett verabschiedeten Gesetzentwurf "gewaltig", sagte Morell. Denn den Kliniken würden Einnahmen aus dem normalen Krankenhausbetrieb wegbrechen, wenn etwa die Fallpauschalen nicht mehr abgerechnet werden könnten, weil dafür nicht das erforderliche Personal eingesetzt werden könne. Auch der Bettenleerstand werde durch Spahns nachgebessertem Rettungsschirm "nicht so ausgeglichen, wie es notwendig wäre, um ausreichende Sicherheit zu geben, gerade für große Häuser und Maximalversorger."
Mit Blick auf die Einschätzung von RKI-Chef Lothar Wieler, die Kurve der Neuinfektionen flache bereits ab, zeigte sich der kkvb-Vize skeptisch. "Wir stellen uns auf den gegenteiligen Prozess ein", sagte Morell und warnte: "Eine verfrühte Entwarnung könnte den fatalen Effekt haben, dass jetzt nicht mehr die ganze Kraft in das Hochfahren der Kapazitäten gesteckt wird, was sich später bitter rächen würde. Die psychologische Wirkung sollte das RKI unbedingt im Blick haben." Bei weiter stark steigenden Zahlen "könnten wir in wenigen Wochen oder Monaten Kapazitätsprobleme bekommen", sagte der Vize-Vorsitzende der "NOZ".
"Das Personal ist der größte Engpass und wird es bleiben", so Morell. Wenn nicht genug Schutzkleidung nachgeliefert werde, "können wir den optimalen Schutz vor Ansteckung nicht mehr an allen unseren Standorten gewährleisten", zeigte sich der kkvb-Vize alarmiert. "Länder und Bund müssen jetzt dringend zielgenau verteilen, was sie beschaffen konnten. Ansonsten haben wir hier ein großes Problem. Auch beim Material für die Patienten-Beatmung könnte es bald kritisch werden."
Schön heute komme es zu Ansteckungen von Pflegekräften, etwa, wenn in Nachtschichten ein neuer Corona-Patient aufgenommen werden muss. "Wir können das Personal dann nicht sofort abziehen, ohne die Patientenbetreuung zu gefährden. Und es kommt vor, dass Mitarbeiter infiziert sind, ohne dass sie oder wir das wissen." Die Labore könnten derzeit nicht ausreichend Test-Kits liefern. Auch Rückkehrer aus Hochrisikogebieten werden eingesetzt, soweit Personalmangel herrscht und wenn sie keine Symptome zeigen. "Womöglich müssen auch wir in vier Wochen bewusst infizierte Pflegekräfte und Ärzte weiterarbeiten lassen, weil es anders schlicht nicht mehr geht, weil zu viele Patienten behandelt werden müssen", sagte Morell.
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung (ots)