Komplementärmedizin bereits Mainstream
Archivmeldung vom 25.10.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittKomplementärmedizin genießt ein hohes Vertrauen in der Bevölkerung und wird kaum noch grundsätzlich angezweifelt oder abgelehnt. Zu diesem Ergebnis kommt eine repräsentative Befragung der Karmasin Motivforschung unter 1.000 Österreichern, die im Auftrag des Pharmaherstellers Sanova erstellt und am heutigen Montag präsentiert wurde. "Zwei Drittel haben eine positive bis sehr positive Meinung zu komplementärmedizinischer Behandlung, nur acht Prozent eine negative", fasst Studienleiterin Sophie Karmasin zusammen.
Nicht nur das Vertrauen, sondern auch das Wissen um die einzelnen Ansätze hat seit den 90er-Jahren erheblich zugenommen. "Komplementäre Medizin ist kein elitärer Begriff mehr, wie Bekanntheitswerte von über 82 Prozent bei Akupunktur und Homöopathie zeigen. Dahinter rangieren Kneipptherapie, Bachblüten, Kräuterheilkunde und Traditionelle Chinesische Medizin. Besonders Frauen sind komplementären Behandlungsformen sehr aufgeschlossen", so Karmasin. Vorausschicken müsse man allerdings, dass die meisten mit der heutigen medizinischen Versorgung zufrieden sind und komplementäre Ansätze als Ergänzung, jedoch kaum als kompletten Ersatz der Schulmedizin verstehen.
Erst knapp jeder Zweite (46 Prozent) kann laut Studie bei Komplementärmedizin auf eigene Erfahrung verweisen, die allerdings in über 90 Prozent der Fälle positiv verlief. Anlass zum ersten Ausprobieren liefern meist leichtere Gesundheitsprobleme - allen voran Kopfschmerzen, Nervosität, Verdauungsproblemen, Schlafproblemen, Verspannungen oder Allergien. Erfahren haben die meisten davon über persönliche Empfehlungen von Freunden und Bekannten, während der Rat von Ärzten oder Apothekern weniger entscheidend ist.
Offen für alt und neu
Hinsichtlich des Umgangs mit Erkrankungen teilt Karmasin die Gesellschaft in drei Gruppen ein. "Naturorientierte" reduzieren Arzneimittel wo dies möglich scheint und greifen im Krankheitsfall zuerst zu Hausmitteln sowie zu pflanzlichen Wirkstoffen. Sie vertrauen der Komplementärmedizin, wissen viel über sie und kennen sie aus eigener Erfahrung. "Der Anteil der Naturorientierten beträgt 39 Prozent der Bevölkerung. Vertreten sind vor allem Frauen ab 50 Jahre", so die Meinungsforscherin.
Die "Offenen" sind in Österreich mit einem Anteil von 41 Prozent zahlenmäßig die größte Gruppe. Frauen und Männer ab 30 Jahren scheinen hier gleichermaßen auf. "Sie akzeptieren sowohl Schul- als auch Komplementärmedizin, nutzen beide Ansätze gleichzeitig oder den im Moment sinnvollsten", berichtet Karmasin. 18 Prozent der Bevölkerung - vor allem Männer der Altersgruppe ab 50 Jahren - setzen hingegen nur auf Schulmedizin, haben wenig Geduld bei der Wirkung von Arzneimitteln und interessieren sich nicht für komplementäre Ansätze.
Antwort auf persönliche Situation gesucht
"Männer setzen sich weniger mit der Behandlungsform auseinander", erklärt die Forscherin die Geschlechterunterschiede gegenüber pressetext. In den älteren Generationen entsprechen Männer noch viel eher dem Klischee, dass sie anderen gegenüber keine Schwäche oder Krankheiten eingestehen wollen, den Arztbesuch und auch Vorsorgemaßnahmen lieber meiden, während Frauen häufig die "Gesundheitsmanagerin" der Familie sind. Diese Rollenverteilung verschwindet bei jüngeren Generationen jedoch immer mehr. "Junge Erwachsene von heute sind bereits mit Homöopathie und Co groß geworden", so Karmasin.
Dass sich die Komplementärmedizin binnen 20 Jahren von der Außenseiterposition zu einem Mainstream-Ansatz entwickeln konnte, sei Teil des Gesellschaftswandels. "Die Schulmedizin gibt auf den Trend zur Individualisierung kaum eine befriedigende Antwort. Sie widmet dem Patienten wenig Zeit und gibt ihm nicht das Gefühl, er bekomme genau das, was er will oder müsse selbst einen aktiven Beitrag leisten. Komplementäre Therapien liefern das - oder inszenieren es zumindest besser." Schlüssig ist weiters, dass die auf Naturwissenschaft ausgerichtete, stark technologisierte Welt auch in der Medizin einen Gegentrend ausgelöst hat.
Quelle: www.pressetext.com Johannes Pernsteiner