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Volkskrankheit Depression: Drei von vier schwer Erkrankten werden nicht angemessen versorgt

Archivmeldung vom 19.03.2014

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.03.2014 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Bild: pixelio.de, G. Altmann
Bild: pixelio.de, G. Altmann

Drei von vier Patienten in Deutschland, die an einer schweren Depression erkrankt sind, erhalten keine angemessene Therapie. Laut aktuellem „Faktencheck Gesundheit“ der Bertelsmann Stiftung werden bundesweit mehr als die Hälfte der schwer Depressiven unzureichend, 18 Prozent sogar gar nicht behandelt. Wie hoch die Chance eines Patienten auf eine angemessene Therapie ist, hängt nicht zuletzt vom Wohnort ab.

So werden nur 13 Prozent der Menschen in Zwickau (Sachsen) angemessen versorgt. Mit 40 Prozent kommt Münster (NRW) auf eine dreimal höhere Rate. Im Bundesländervergleich erreichen Nordrhein-Westfalen (30 Prozent) und Hessen (29 Prozent) die besten Versorgungsquoten. Schlusslichter sind Sachsen-Anhalt (22 Prozent), Thüringen (20 Prozent) und das Saarland (20 Prozent).

Depressionen gehören zu den häufigsten und folgenreichsten Erkrankungen. Jeder fünfte Mensch erkrankt im Laufe seines Lebens an einer Depression. Derzeit leiden ca. neun Millionen Deutsche an einer behandlungsbedürftigen Depression, mindestens 15 Prozent von ihnen sind schwer krank. Prof. Martin Härter (Autor der Studie und Direktor Institut und Poliklinik für Medizinische Psychologie/Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf): „Die Ergebnisse sind alarmierend. Werden Depressionen nicht angemessen behandelt, können sie chronisch werden. Noch gravierender ist die Gefahr von Suizid bei schweren Depressionen.“ Durchschnittlich nimmt sich jeder siebte schwer Depressive das Leben.

Die angemessene Behandlung von schweren Depressionen besteht aus einer Kombination von Psychotherapie und der Einnahme von Antidepressiva. Doch nur ein Viertel der Betroffenen wird laut Faktencheck Gesundheit auf diese Weise behandelt. Viele Schwerkranke bekommen ausschließlich Medikamente. Der Großteil der Patienten erhält keine oder eine zu kurze Therapie.

Die Gründe für die Unterschiede in der Versorgung von schweren Depressionen sind vielschichtig. Eine Ursache ist das regional unterschiedliche Angebot an Psychotherapeuten sowie psychiatrischen und psychosomatischen Fachärzten. Während im Landkreis Mansfeld-Südharz (Sachsen-Anhalt) nur neun Psychotherapeuten oder eben Fachärzte auf 100.000 Einwohner kommen, sind es in Heidelberg (Baden-Württemberg) 165. Berlin, Bremen und Hamburg haben eine bis zu viermal höhere Therapeutendichte als die ostdeutschen Bundesländer. Wartezeiten von durchschnittlich 17 Wochen auf einen Therapieplatz unterstreichen die Versorgungsproblematik. Dr. Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann Stiftung: „Insbesondere schwer Erkrankte benötigen schnelle und angemessene Hilfe. Dafür müssen die Therapieplätze bedarfsgerechter verteilt werden. Auch neue Versorgungsmodelle können dazu beitragen, die Situation der Patienten zu verbessern.“

Vor allem Bayern und Baden-Württemberg fallen im Ländervergleich durch hohe Diagnose-, aber niedrige Behandlungsraten auf. Der Faktencheck Depression weist erstmals die hohe Diskrepanz zwischen Behandlungsempfehlungen und der tatsächlichen Versorgung nach.

Für die Studie wurden die anonymisierten Daten von rund sechs Millionen Versicherten der Betriebs- und Innungskrankenkassen ausgewertet. Sie sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung.

Teresa Enke, Ehefrau von Nationaltorwart Robert Enke, der sich wegen seiner Depressions-Erkrankung das Leben nahm: „Der ,Faktencheck Depression" zeigt deutlich auf, welch große Herausforderungen auf die Gesellschaft zukommen, möchte sie die seelische Gesundheit der Menschen stärken. Mein Wunsch ist es, dass wir alle eine gewisse Normalität für die Betroffenen entwickeln, da sich niemand für eine psychische Erkrankung schämen braucht. Das Thema muss weiter enttabuisiert werden.“

Quelle: Bertelsmann Stiftung (idw)

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