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Verstoß gegen Frühchen-Richtlinie

Archivmeldung vom 01.11.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 01.11.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: berlin-pics  / pixelio.de
Bild: berlin-pics / pixelio.de

Mehr als die Hälfte der Frühgeborenenzentren kann die Personalvorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses, dem höchsten Gremium der Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen, nicht erfüllen. Das geht aus einer Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft hervor. Patientenvertreter und mehrere Neonatologen kritisieren die Nichteinhaltung der Vorgaben, die vom 1. Januar 2017 an gelten, wie das ARD-Politikmagazin "Report Mainz" berichtet (heute, 1. November 2016, 21.45 Uhr, Das Erste). Im Interview mit "Report Mainz" sagte Ilona Köster-Steinebach, Patientenvertreterin beim Gemeinsamen Bundesausschuss: "Dass so viele Kliniken die Personalvorgaben nicht erfüllen, ist ein Unding. Sie sind seit Mitte 2013 bekannt, die Kliniken hatten also mehr als drei Jahre Zeit sie umzusetzen."

Die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses sieht vor, dass die Perinatalzentren spätestens von 2017 an mehr und qualifizierteres Pflegepersonal einsetzen müssen. So sollten Fehler verhindert werden, die bei Frühchen lebensgefährlich sein oder zu einer Behinderung führen können. Unter anderem müssen die Perinatalzentren pro Schicht mindestens eine Pflegekraft mit der Fachweiterbildung Kinder-Intensivpflege einsetzen. Außerdem gilt für intensivtherapiepflichtige Frühgeborene unter 1500 Gramm ein Pflegeschlüssel von 1:1. Laut der Umfrage des Deutschen Krankenhausinstituts können mehr als 50 Prozent der Perinatalzentren weder aktuell noch ab 2017 diese Vorgabe erfüllen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hatte die Richtlinie bereits im Juni 2013 beschlossen.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft will deshalb jetzt weitere Übergangsfristen und Erleichterungen bei den Personalvorgaben erreichen. Im Interview mit "Report Mainz" sagte der Hauptgeschäftsführer der DKG, Georg Baum: "Wir müssen heute feststellen, dass es das Personal, das wir dazu bräuchten, in der Zahl nicht gibt oder noch nicht gibt. Und deshalb müssen wir eine Anpassung dieser Richtlinie diskutieren. Wir brauchen mehr Zeit und wir brauchen an der Stelle, wo es heißt, immer und zu jeder Zeit muss das Personal vorgehalten werden, eine Anpassung an die realistischen Möglichkeiten." Nach Informationen von "Report Mainz" berät der Gemeinsame Bundesausschuss derzeit, ob ein Änderungsbedarf der Richtlinie besteht.

Prof. Christian Poets, Leiter der Neonatologie der Uniklinik Tübingen kritisierte das Vorgehen der Krankenhausgesellschaft gegenüber "Report Mainz": "Ich finde es nicht akzeptabel, wenn eine von allen Seiten als notwendig erachtete Verbesserung der Versorgung immer weiter nach hinten verschoben wird. Um es klar zu sagen: Es geht hier um Kinderleben und da dürfen keine Kompromisse gemacht werden." Die Patientenvertreterin des "Verbraucherzentrale Bundesverbands" beim Gemeinsamen Bundesausschuss, Ilona Köster-Steinebach, bezeichnete das Nichteinhalten der Richtlinie als fatal: "Eine weitere Aufweichung der Richtlinie bedeutet, dass die Frühgeborenen nicht so geschützt werden, wie es ihre Situation erfordert."

Quelle: SWR - Das Erste (ots)

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