Vitamin E unter falschem Verdacht
Archivmeldung vom 18.10.2011
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 18.10.2011 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittVitamin E ist ein antioxidatives und entzündungshemmendes Vitamin, welches vor allem in pflanzlichen Fetten und Ölen enthalten ist. Eine US-amerikanische Studie (SELECT*) sollte erforschen, ob Vitamin E auch Prostatakrebs vorbeugen kann. Sie wurde jedoch abgebrochen, weil die Zwischenergebnisse nicht den Erwartungen entsprachen und scheinbar genau das Gegenteil belegten. Seitdem erscheinen immer wieder Berichte, die daraus folgern, dass Vitamin E Krebserkrankungen der Prostata sogar begünstigt. Eine eindeutige wissenschaftliche Grundlage für diese Aussage gibt es allerdings nicht, wie die Gesellschaft zur Information über Vitalstoffe und Ernährung, GIVE e.V., feststellt.
Die Studie war in vier verschiedene Untersuchungszweige unterteilt, in denen die Teilnehmer entweder 400 Internationale Einheiten (I. U.) Vitamin E oder 200 Mikrogramm Selen täglich oder beides zusammen nahmen. Im vierten Zweig erhielten die Teilnehmer Placebos. GIVE e.V. weist darauf hin, dass die Durchführung der Untersuchung einige Schwächen aufweist. Vor allem betrifft dies die Wahl des verwendeten Vitamin E, ein Sammelbegriff für verschiedene chemisch sehr ähnliche Verbindungen. Unter diesen ist das natürlich vorkommende RRR-alpha-Tocopherol die biologisch wirksame Form. Die SELECT-Studienteilnehmer jedoch erhielten mit rac-alpha-Tocopherolacetat ein Präparat mit künstlich hergestelltem Vitamin E. Dieses besteht aus acht verschiedenen Tocopherol-Formen (Stereoisomeren), von denen sieben für den Körper nicht verwertbar sind. Welchen Einfluss diese und ihre möglichen Stoffwechselprodukte auf den Organismus haben, ist derzeit noch völlig unbekannt.
Die Krebshäufigkeit war zuletzt eineinhalb Jahre nach Absetzen der Vitamingaben erfasst worden. Welche Medikamente die Studienteilnehmer in dieser Zeit genommen hatten, wurde allerdings nicht erhoben; somit auch nicht deren möglicher Einfluss auf die Gesundheit. Selbst das NCI, das US-amerikanische National Cancer Institute, hält es deshalb für möglich, dass die aus den vorliegenden Zwischenergebnissen ableitbaren Trends der Studie Zufallsergebnisse sein können.
Dass Präparate mit Vitamin E aus natürlichen Quellen das Risiko für Prostatakrebs steigern, ist wissenschaftlich somit nicht belegbar. Den Ergebnissen der SELECT-Studie und ihrer Nachbeobachtung fehlt die solide methodische Basis. Ihr Ergebnis widerspricht zudem vorangegangenen breit angelegten Untersuchungen wie der ATBC-Studie von 2003 oder der PHS II Studie von 2007, die eine deutliche Risiko-Reduktion von Prostatakrebs unter Vitamin E beziehungsweise keinerlei Auffälligkeiten zwischen Vitamin-E-Einnahme und Prostatakrebs zeigten.
*Klein E A et al.; Vitamin E and the Riks of Prostate Cancer, The Selenium and Vitamin E Cancer Prevention Trial (SELECT), JAMA.2011;306(14):1549-1556. doi:10.1001/jama.2011.1437
Quelle: GIVE e.V. Gesellschaft zur Information über Vitalstoffe und Ernährung (ots)