Posttraumatische Belastungsstörung: Erste Studienergebnisse zur Pferdetherapie geben Hoffnung
Archivmeldung vom 01.07.2023
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Freigeschaltet durch Mary SmithDer Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, Generaloberstabsarzt Dr. Ulrich Baumgärtner, und der PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung)-Beauftragte, Generalarzt Dr. Jörg Ahrens, informierten sich in Berlin-Karlshorst über eine Studie zur Unterstützung von traumatisierten Soldatinnen und Soldaten. Die ersten Ergebnisse zur pferdegestützten Therapie sind vielversprechend.
Beide Generalärzte waren sehr beeindruckt von der Arbeit am Inklusiven Pferdesport- und Reittherapiezentrum (IPRZ) in Berlin-Karlshorst. Im Mittelpunkt ihres Besuchs stand die Präsentation der ersten Studienergebnisse zur pferdegestützten Therapie bei Traumafolgestörungen. Die seit 2020 laufende Studie ist eine Kooperation zwischen dem Psychotraumazentrum (PTZ) des Bundeswehrkrankenhauses Berlin und dem IPRZ.
Die Verantwortlichen der Studie, Oberregierungsrat Dr. Kai Köhler und seine Kollegin Regierungsamtsrätin Sonja Heinrich stellten die sehr positiven Studienergebnisse vor. "Wir haben ganz verschiedene Patienten, darunter chronifizierte, aber auch neu erkrankte Patientinnen und Patienten in Therapie. Mit den Pferden haben wir aber einen ganz neuen Ansatz", erläuterte Köhler seine Erfahrungen mit dieser Therapieform und betonte: "Es gibt als Studie aktuell weltweit nichts Vergleichbares".
Über das Pferd kommunizieren
"Die Tiere nehmen kleinste Veränderungen in unserer Körperhaltung wahr," weiß Juliane Küchler. Sie ist seit 2020 beim IPRZ Reittherapeutin und führt die traumapädagogische Therapie mit den Soldatinnen und Soldaten durch. "Jeder hat bei uns sein festes Pferd und baut in der Kennlernphase eine Verbindung zu ihm auf." Die Kommunikation über das Pferd kann sehr entlastend wirken, so die Therapeutin: "Häufig bringen die Probanden eine hohe Grundanspannung mit, die bewusst wahrgenommen wird und das Pferd spiegelt das, selbst wenn die äußere Fassade und die innere Haltung nicht zusammenpassen." Dies könne das Pferd durch sein Verhalten, durch die Interaktion mit ihm aufdecken und man könne dann Themen ansprechen, die dem Probanden gar nicht bewusst wären.
Selbst- und Fremdwahrnehmung spielen dabei eine große Rolle. Manche Pferde werden unruhig, wenn sie die Ängste und Unsicherheiten eines Patienten spüren, kompensieren es aber gut. "Dafür ist die Therapeutin dabei, diesen Prozess zu begleiten und der Soldat und das Pferd die Sicherheit bekommen", sagte die Geschäftsführerin des IPRZ, Friederike Wendt, und ergänzte "Die Abschiedsrunde am Ende der Therapie ist immer sehr emotional. Das macht die ganze Therapie auch so schön, weil wir so viel Herzlichkeit und so positive Schwingungen zurückbekommen".
Therapie-Effekte brauchen Zeit
"Unsere Therapiedurchgänge finden jedes Quartal für sechs Wochen statt. Bis heute nahmen, aufgeteilt in die drei Gruppen, schon 75 Probanden teil", so Köhler. Die insgesamt 16 Therapiestunden sowie die Unterkunft und An- und Abreise sind im Rahmen der Studie für die Teilnehmenden kostenfrei. Bei einer diagnostizierten Einsatzfolgestörung, wie beispielsweise einer PTBS, aber auch bei Angststörung, Depressiver Störung, Anpassungsstörung oder somatoformer Störung ist eine Studienteilnahme möglich.
Oberregierungsrat Dr. Kai Köhler, Dipl. Päd., M.Sc.Psych: "Mit unseren ersten Zwischenergebnissen zeigen wir, dass sich im Verlauf der DKThR-Therapie bestehende PTBSPosttraumatische Belastungsstörung-Symptome signifikant reduzieren. Aber auch bei depressiver Symptomatik erzielen wir deutliche Verbesserungen."
Oberstarzt Prof. Dr. Peter Zimmermann, hob noch einmal hervor, dass an der Therapie gestandene Männer und Frauen mit immenser Einsatzerfahrung teilnehmen bzw. teilgenommen haben. Die Einsatzdauer eines Soldaten sei signifikant für Veränderungen im Gehirn. "Wenn ein Therapie-Effekt erzielt werden soll, brauchen wir Zeit", betonte der Leiter am PTZ.
Was die Pferdetherapie bewirkt
Ein Symptom bei einer PTBSPosttraumatische Belastungsstörung ist eine ständige Alarmbereitschaft. Das Herz schlägt dann ruhig. Aber genau das sei das Krankhafte und könne zum Herzinfarkt führen. Ziel sei es deshalb, die Schwankung der Herzrate zu erhöhen, denn "je höher sie schwankt, umso gesünder ist der Mensch", erklärte Zimmermann. Dieser Biomarker sei objektiv und unabhängig von einer subjektiven Einschätzung des Probanden. "Und wenn wir durch die Therapiemaßnahme die Herzrate tatsächlich steigern und verbessern können, dann ist das auch ein sehr wichtiges Argument für die Gesundheitsfürsorge und letztlich für das Betriebliche Gesundheitsmanagement."
Drei Therapie-Methoden
Die Studie zur Wirksamkeit der pferdegestützten Therapie bei Einsatzfolgestörungen ist in drei sogenannte Interventionsgruppen unterteilt. Die erste Gruppe wird nach der EAGALA-Methode (Equine-Assisted Growth and Learning Association), einem amerikanischen Modell mit psychotherapeutischem Schwerpunkt, therapiert. In Kooperation mit dem Deutschen Kuratorium für Therapeutisches Reiten (DKThR) durchläuft die zweite Gruppe die sogenannte DKThR-Methode. Hierbei handelt es sich um eine traumapädagogische Therapie. Die dritte Gruppe ist eine Kontrollgruppe mit der bisherigen Standard-Psychotherapie. Im Berliner Therapiezentrum IPRZ betreuen zwei Therapeutinnen die Probanden. Derzeit läuft die DKThR-Therapie im Einzelsetting an einem Pferd.
Quelle: Presse- und Informationszentrum des Sanitätsdienstes der Bundeswehr (ots)