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Steigende Infektionszahlen wegen Selbst- und Massentests erwartet

Archivmeldung vom 06.03.2021

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.03.2021 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Sanjo Babić
Gewinn, Aufschwung, Börse, Konjunktur und Finanzen (Symbolbild)
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Bild: Marko Greitschus / pixelio.de

Pünktlich zum Verkaufsstart von Selbsttests im Einzelhandel warnen Politiker und Experten vor nominell nun steigenden Infektionszahlen. Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann (Grüne), erwartet, dass die gemessene Inzidenzrate steigt. "Wenn wir jetzt massenhaft testen, werden wir natürlich mehr Infektionen feststellen", sagte Kretschmann der FAS.

Die Dunkelziffer zu erhellen sei "ja auch erwünscht". Und weiter: "Nur dann, wenn man mehr Infektionen feststellt und die auch verfolgen kann, kommt man auch schneller runter mit den Zahlen. Das ist der Vorteil." Im Öffnungsplan von Bund und Ländern gebe es deshalb "einen riesigen Puffer". Dort entscheiden Inzidenzraten von 50 oder 100 über die Maßnahmen. Der Berliner Physiker Kai Nagel, der für die Bundesregierung in Modellrechnungen die Pandemie untersucht, erwartet ebenfalls eine Steigerung.

"Durch Schnelltests würden die Inzidenzwerte voraussichtlich erst mal wieder ansteigen. Generell sollte das Ziel aber sein, dass das Infektionsgeschehen weiter reduziert wird, und die Tests beschleunigen dies ja eher", sagte Nagel der FAS. Der Inzidenzwert würde steigen, weil viele Infektionen erkannt werden, und dann sinken, weil mehr Infizierte in Quarantäne gingen und weniger ansteckten. Für den Virologen Hendrick Streeck schauen Politiker zu sehr auf die Inzidenzrate. "Öffnungen müssen mit einer definierten Teststrategie verknüpft sein, aber man muss sich darüber im Klaren sein, dass bei vermehrten Tests wahrscheinlich auch die Infektionszahlen automatisch steigen werden, weil eben so mehr Infektionen entdeckt werden", sagte Streeck der FAS. "Auch weil sich die Basis für die erfassten Daten immer wieder geändert hat, habe ich seit dem Sommer dafür plädiert, dass nicht ein einzelner Indikator ausschlaggebend für Entscheidungen sein darf. Die Hospitalisierungsrate könnte beispielsweise ebenso einbezogen werden."

Der SPD-Abgeordnete und Epidemiologe Karl Lauterbach hält auch für möglich, dass die Schnelltests den Inzidenzwert nach unten verfälschen. "Die Inzidenzrate kann in jede Richtung gehen. Es kann auch sein, dass sie sinkt. Wenn jemand einen positiven Selbsttest aus dem Supermarkt hat, und eine Quarantäne vermeiden will, könnte er auf einen PCR-Test verzichten und sich selbst isolieren. Dann würde er in der Statistik nicht gezählt werden." Der Staat würde so nichts von der Infektion erfahren. Lauterbach ist deshalb für Schnelltests unter Aufsicht, in Betrieben, Schulen oder Zentren. "Dann wäre sichergestellt, dass nach einem positiven Schnelltest noch ein PCR-Test gemacht wird", sagte er der FAS. In den Kommunen sorgt der drohende Flickenteppich aus Landkreisen mit unterschiedlichen Lockdown-Regeln für Kritik. Der Freiburger Oberbürgermeister Martin Horn kann bei sich einen Inzidenzwert von unter 50 verzeichnen und strebt deshalb Lockerungen an. Landkreise im Umland haben höhere Inzidenzraten. Horn kritisiert, dass die Abstufung der Maßnahmen nach Stadt- und Landkreisen "an der Lebensrealität der Menschen vorbeigeht".

Statt eines "Flickenteppichs" brauche es regionale Konzepte. Auch die Stadt Kaiserslautern, die eine niedrige Inzidenz hat, teilte mit, man halte es "nicht für sinnvoll", etwaige Öffnungsschritte früher zu gehen als das Umland. Sollte es einen Einkaufstourismus geben, werde man "nachsteuern". Ähnlich äußert sich der Leipziger Oberbürgermeister und Präsident des Deutschen Städtetages, Burkhard Jung von der SPD: "Um einen `Öffnungstourismus` zu vermeiden, braucht es gemeinsame Vorkehrungen zwischen Ländern, aber auch zwischen Städten und Landkreisen", sagte er der FAS. Jung erwartet von der Bundesregierung, dass sie für ausreichend Testkits sorgt. "Wir können nicht am Montag zu Tests aufrufen und dann Mittwochmittag sagen: Jetzt wird nicht mehr getestet, weil uns die Testkits ausgegangen sind."

Quelle: dts Nachrichtenagentur


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