Alt. Älter. Noch älter
Archivmeldung vom 21.01.2013
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Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt„Die Deutschen werden so alt wie nie zuvor, ein Ende ist nicht in Sicht“, sagt Professor Roland Rau, der an der Universität Rostock seit 2011 einen der wenigen Lehrstühle für Demografie an deutschen Universitäten leitet.
Die Zahl der 100-Jährigen steigt inzwischen unerwartet schnell an. Das führen die Rostocker Forscher um Prof. Rau insbesondere auf die rapide sinkende Sterblichkeit ab dem 80. Lebensjahr zurück – Wissenschaftler sprechen von Höchstaltrigen. Seit 1960 hat sich in vielen Ländern die Sterblichkeit der 80-Jährigen mehr als halbiert. Konkret heißt das: vor 50 Jahren starben von 100 der 80-jährigen Frauen rund elf vor ihrem 81. Geburtstag, heute sind es gerade mal vier. Die Reduktion der Herz-Kreislauf-Sterblichkeit nimmt dabei eine zentrale Rolle ein. „Man spricht in der Wissenschaft von der kardiovaskulären Revolution“, erläutert Rau und erklärt: „Ärzte können Krankheiten, insbesondere am Herzen in vielerlei Hinsicht besser behandeln. Hinzu kommt das höhere Wissen um die eigene Gesundheit“. Unabhängig davon sei jedoch auch der individuelle Lebensstil entscheidend für ein hohes Alter, sagt der Rostocker Roland Rau. 2011 wurde er vom Europäischen Forschungsrat (ERC) mit einem der begehrten ERC Starting Grants ausgezeichnet, der seit 2007 an international hervorragende Nachwuchswissenschaftler vergeben wird, um ihnen den Aufbau einer unabhängigen Forschungsgruppe in neuen Forschungsfeldern zu ermöglichen. Prof. Rau beschäftigt sich mit der Optimierung von Sterblichkeitsvorhersagen. Sein Ziel ist es, neue generelle Methoden zu entwickeln, um Prognosen bezüglich der zu erwartenden Mortalitätsraten zu verbessern.
Was passiert, wenn der Trend der weiteren Lebenserwartung so fortgeschrieben wird? „Es gibt von uns Modellrechnungen, die besagen, dass unter diesen Voraussetzungen nicht nur eine Vielzahl der heutzutage Neugeborenen das nächste Jahrhundert erleben wird, sondern auch die Hälfte davon ausgehen kann, 100 Jahre alt zu werden“, sagt der Rostocker Demografie-Forscher.
Die stetig steigende Lebenserwartung führt auch dazu, dass der Alterungsprozess erst später einsetzt. Prof. Rau sagt: „Wenn man die Sterblichkeit als ultimativen Gesundheitsindikator heranzieht, sind Frauen im Alter von heute 86 Jahren so gesund wie 80-jährige Frauen vor 50 Jahren“. Die höchste jährlich gemessene Lebenserwartung steigt seitmehr als 160 Jahren jedes Jahrzehnt um 2,5 Jahre oder um knapp sechs Stunden pro Tag. Auch die Bundesrepublik folgt diesem Trend seit den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts.
Besonders interessant ist für den Wissenschaftler die Entwicklung der Lebenserwartung in Deutschland. Heute wird bei Frauen ein Wert von rund 82,5 Jahren gemessen. Um 1990 registrierten die Forscher jedoch einen Abstand in der Lebenserwartung von westdeutschen zu ostdeutschen Frauen. Während die erste Gruppe durchschnittlich 79 Jahre alt wurde, starben die Frauen im Osten drei Jahre eher. Seit 2005 gibt es kaum noch relevante Unterschiede bei den Frauen. Mit anderen Worten, im Osten stieg die Lebenserwartung schneller als im Westen. Interessant: „Woran das liegt, ist eine der spannenden Forschungsfragen“, sagt Rau. Es gibt zwei Haupt-Hypothesen: Es liegt am Geld, um sich gesünder ernähren zu können und (oder) an der Medizin.
Rau, der auch in den USA forschte, hat herausgefunden, dass sich seit 1980 in den westlichen Bundesländern Deutschlands die Herz-Kreislauf-Sterblichkeit ungefähr halbiert hat und die fünf neuen Bundesländer dorthin auf bestem Weg sind.
In der Literatur wird ein Viertel der Unterschiede in der Langlebigkeit auf genetische Faktoren zurückgeführt, ein weiteres Viertel auf frühere Lebenserfahrung und 50 Prozent auf die jeweiligen augenblicklichen Lebensbedingungen. Was kann der Einzelne tun? Professor Rau meint: „Das machen, was Mutter schon immer riet: ernähre Dich gesund, trink nicht so viel Alkohol und rauch nicht, treibe Sport, halte Dich geistig fit“. Dann fügt der Wissenschaftler hinzu: „die großen Erfolge in der Lebenserwartung sind vor allem auch auf die enormen Fortschritte in der Medizin zurückzuführen.“
Quelle: Universität Rostock (idw)