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Staatsanwaltschaft zum Organskandal: "Tod anderer Patienten billigend in Kauf genommen"

Archivmeldung vom 20.06.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 20.06.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Martin Büdenbender / pixelio.de
Bild: Martin Büdenbender / pixelio.de

Nach der Anklageerhebung gegen den ehemaligen Leiter der Göttinger Transplantationschirurgie hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig weitere Details bekanntgegeben. Gegenüber dem Politikmagazin "Panorama 3" im NDR Fernsehen erklärte Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe: "Wir gehen davon aus, dass der Beschuldigte Patienten bevorzugt mit Spenderorganen versorgt hat. Das heißt: Andere Patienten in anderen Kliniken, denen es in Wahrheit sehr viel schlechter ging, haben ihr Spenderorgan nicht erhalten und sind dadurch möglicherweise verstorben." Dieses habe der Beschuldigte offenbar gewusst und billigend in Kauf genommen.

Der Göttinger Arzt soll Krankendaten seiner Patienten manipuliert haben, so dass sie auf dem Papier kränker erschienen als sie in Wirklichkeit waren. So sollen sie schneller eine Spender-Leber erhalten haben, als ihnen zustand. Diese Manipulationen wertet die Staatsanwaltschaft als versuchten Totschlag.

"Wir betreten hier natürlich rechtlich gewisses Neuland", sagte Oberstaatsanwalt Ziehe "Panorama 3". "Es gibt keinen Fall, bei dem die Problematik, ob eine solche Manipulation ein versuchter Totschlag ist, jemals entschieden worden wäre."

Bei der Staatsanwaltschaft in Braunschweig rechnet man deshalb mit einem aufwendigen und langwierigen Verfahren, auch wegen des Umfangs der Ermittlungen. "Das bedingt gutachterliche Stellungnahmen, das bedingt rechtliche Überlegungen tiefergehender Art. Einfach wird es jedenfalls nicht. Es wird sicherlich einige Zeit brauchen, um zu einer Entscheidung zu kommen", sagte Ziehe.

Für Strafrechtsexperten ist indes fraglich, ob bei derartigen Manipulationen ein Totschlag überhaupt nachzuweisen ist. "Diese Wartelisten ändern sich ständig, sind von vielen Faktoren abhängig", erklärte Prof. Hans Kudlich, Strafrechtler an der Universität Erlangen, gegenüber "Panorama 3". "Da kann es im Einzelfall sehr schwierig sein zu sagen: Weil hier eine bestimmte Person nach vorne gerutscht ist, ist gerade eine andere Person verstorben." Selbst bei einem versuchten Totschlag sei das schwierig.

Die Staatsanwaltschaft geht dennoch davon aus, dass ihre Anklage Aussicht auf Erfolg hat. Oberstaatsanwalt Ziehe verweist auf die Entscheidung des Braunschweiger Oberlandesgerichtes zur Untersuchungshaft des Beschuldigten. Das Oberlandesgericht habe im März "unsere Überzeugung eines dringenden Tatverdachts des versuchten Totschlags im Rahmen der Haftprüfung bestätigt". Der Arzt sitzt seit Januar wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft. Auf "Panorama 3"-Anfrage wollte er sich nicht äußern.

Quelle: NDR Norddeutscher Rundfunk (ots)

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