Schnelle Folge von Krisen belastet aktuell Psyche der Deutschen: Krankschreibungen alleine reichen bei seelischen Erkrankungen nicht aus
Archivmeldung vom 30.05.2023
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Freigeschaltet durch Mary Smith87 Prozent der Psychiater und Psychotherapeuten berichten, dass die schnelle Folge von Krisen wie Corona, Ukrainekrieg und Inflation einen besonders negativen Einfluss auf die Psyche ihrer Patienten hat. Dies sind Ergebnisse der Studie "Psychische Gesundheit in der Krise" der Pronova BKK, für die im Januar und Februar 2023 insgesamt 150 Psychiater und Psychotherapeuten befragt wurden.
53 Prozent stimmen voll und ganz zu, dass die existenziellen Sorgen vieler Menschen zu einer permanenten Stresssituation führen und sich negativ auswirken, insgesamt bestätigen 95 Prozent der Befragten diese Aussage. Psychische Vorerkrankungen, die latent vorhanden sind, kommen laut 92 Prozent der Expert*innen in Krisen eher zum Ausbruch. 42 Prozent sind davon vollständig überzeugt.
"Krankschreibung allein hilft in diesem Fall nur begrenzt und ist keine Dauerlösung", sagt Dr. med. Sabine Köhler, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. "Der Impuls, sich zuhause ausschließlich durch Schonung und Abschottung von dem Stress der multiplen Krisen zu erholen, führt in eine Sackgasse. Um Resilienz aufzubauen, gilt es, auch körperlich aktiv zu sein und moderat Sport zu treiben. Wer sich erschöpft fühlt, sollte langsam und geduldig die eigenen Anforderungen steigern. Arbeitgeber können eine stundenweise Rückkehr in den Job ermöglichen."
Deutsche haben Angst vor der Zukunft
Derzeit lösen vor allem Zukunftsangst (94 Prozent ) und finanzielle Sorgen (88 Prozent) psychische Beschwerden aus. Ängste wurden bei 93 Prozent der Befragten in den drei Krisenjahren bei bereits bestehenden Patienten verstärkt. Seit Beginn der Corona-Pandemie behandeln 89 Prozent der Psychiater und Psychotherapeuten verstärkt Patienten mit diversen Ängsten - zunächst mit Angst vor Ansteckung oder Menschenansammlungen oder auch Existenzängsten. 87 Prozent geben an, dass Patienten, bei denen der Anstieg der Lebenshaltungskosten zu einem existenziellen Problem wird, psychische Auffälligkeiten entwickeln.
"Unbehandelte Ängste können Panikattacken auslösen. Sorgen um die Zukunft, vor Geldentwertung und existenziellen Problemen können zu ernsthaften Angststörungen führen, die Patient*innen nicht mehr kontrollieren können. Sie entwickeln eine Angst vor der Angst", erklärt Fachärztin Köhler.
Zu den häufigsten Diagnosen zählen bei 64 Prozent der Expert*innen Angststörungen. Panikattacken stellen 84 Prozent der Befragten bei ihren Neupatienten fest.
Liste der negativen Krisen-Auswirkungen ist lang
Doch im multiplen Krisenjahr ist die Liste der Aspekte mit negativen Auswirkungen auf die Psyche der Deutschen lang. Beispielsweise leiden bei jeweils 87 Prozent der Befragten die Patienten noch unter den während der Lockdowns abgebrochenen Kontakten und einer angespannten familiären Situation. 86 Prozent stellen Konflikte in der Familie fest. 77 Prozent berichten von zu intensivem Medienkonsum ihrer Patienten, 72 Prozent von Isolierung durch anhaltendes Homeoffice. Neben den Corona-Folgen fehlt bei 68 Prozent auch das Vertrauen in globale Strukturen.
"Jetzt geht es darum, die eigenen Schutzmechanismen, die jede und jeder individuell erlernt hat, zu aktivieren. Dabei kann eine Psychotherapie helfen", sagt Köhler. "Zur Überbrückung bis zum Therapiebeginn oder auch als niedrigschwelligen Einstieg bei geringem Krankheitswert können digitale Gesundheitsanwendungen helfen." 60 Prozent der Befragten sehen zumindest eingeschränkte Hilfe in digitalen Angeboten. 64 Prozent der Psychiateren in Kliniken befürworten explizit Hilfe durch digitale Angebote (DiGAs). Zu den wichtigsten Maßnahmen zur Verbesserung der psychischen Gesundheit der Deutschen zählen vor allem mehr und schnell verfügbare Therapieplätze (85 Prozent), aber auch ein gesichertes familiäres Umfeld (81 Prozent) .
Über die Studie
Für die Studie "psychische Gesundheit in der Krise" wurden im Januar und Februar 2023 bundesweit 150 Personen online befragt, darunter 50 Klinikpsychiateren, 50 niedergelassene Psychiateren und 50 Psychotherapeuten.
Quelle: Pronova BKK (ots)