Wenn alle gleich aussehen
Archivmeldung vom 09.05.2015
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittFür manche Menschen sieht ein Gesicht aus wie das andere. Der Grund für diese sogenannte Gesichtsblindheit (Prosopagnosie) ist eine Wahrnehmungsstörung im Gehirn, berichtet die aktuelle Ausgabe von P. M. Fragen & Antworten. Das kann so weit gehen, dass Betroffene auch vertraute Gesichter nicht zuordnen können. Oft gelten sie daher als unhöfliche Sonderlinge, weil sie grußlos an Bekannten vorübergehen.
Verwirrend kann für sie sein, wenn in einem Film verschiedene Rollen mit ähnlich aussehenden Gesichtern oder Typen besetzt sind. Erkannt und benannt wurde das Phänomen 1947 von dem deutschen Neurologen Joachim Bodamer. Die Störung kann durch Unfälle oder Krankheiten hervorgerufen werden, aber auch angeboren sein. Welche Gene dafür verantwortlich sind, weiß man bis heute nicht. Heilbar ist die Gesichtsblindheit bisher nicht.
Vor 15 Jahren waren weltweit nur rund ein Dutzend Fälle bekannt, aber neueste Studien zeigen, dass die Gesichtsblindheit viel weiter verbreitet ist, als bisher angenommen. Weltweit könnten bis zu 2,5 Prozent der Bevölkerung gesichtsblind sein, in Deutschland wären das zwei Millionen Menschen. Zu diesem Ergebnis kommt sowohl die Studie der Medizinerin Martina Grüter am Institut für Humanmedizin der Universität Münster als auch eine Untersuchung von Ken Nakayama an der Harvard University. Betroffene Kinder entwickeln meist unbewusst erste Strategien, um sich zurechtzufinden: Sie identifizieren die Menschen in ihrem Umfeld an konkreten Merkmalen wie etwa Haaransatz oder Ohrenform, aber auch an Kleidungsgewohnheiten, Stimme oder Bewegungsmustern. Je früher ihre Störung erkannt wird, desto gezielter können sie unterstützt werden.
Quelle: Gruner+Jahr, P.M. Fragen&Antworten (ots)