Geburtshilfe: Fast jede zweite Hebamme betreut drei Gebärende gleichzeitig
Archivmeldung vom 12.09.2019
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Freigeschaltet durch André OttDie Geburtshilfe in Deutschland leidet unter großem Personalmangel - was bei den Hebammen zu erheblichem Frust führt. Das geht aus zwei Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages hervor, die der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ) vorliegen.
So heißt es im ersten Gutachten unter Berufung auf eine bundesweite Umfrage, "dass sich fast die Hälfte der Hebammen um drei Frauen gleichzeitig während der Geburt kümmert". Die medizinischen Fachgesellschaften für die stationäre Geburtshilfe empfehlen eine Eins-zu-eins-Betreuung.
In Sachsen mussten demnach in Intensiv-Schichten 30 Prozent der Hebammen "mehr als vier Gebärende" betreuen. In Bayern hatten nur sechs von 100 Frauen eine Hebamme für sich und ihr Neugeborenes. Um den Betreuungsschlüssel zu verbessern, "fehlten schlichtweg die Hebammen", so das Gutachten. Um freie Stellen zu besetzen, brauchen die Kliniken oft ein halbes Jahr oder noch länger.
Klagen über Überlastung gab es aus allen untersuchten Bundesländern. In Baden-Württemberg berichteten den Gutachten zufolge sieben von zehn Hebammen, in den zurückliegenden fünf Jahren sei ihre Arbeitszeit "deutlich oder sehr deutlich" angestiegen. Mehr als die Hälfte der angestellten Hebammen in Sachsen gab an, Frauen nicht so betreuen zu können, wie sie es für richtig hielten. Jede vierte Fachkraft erwägt, deswegen den Beruf aufzugeben.
"Die Ergebnisse der Gutachten sind erschreckend", sagte Sabine Zimmermann (Linke), Vorsitzende des Ausschusses für Familien, Senioren, Frauen und Jugend, der NOZ. Seit Jahren sei die deutsche Geburtshilfe unterfinanziert. Grund dafür sei eine Ökonomisierung des Gesundheitswesens. "Diese Politik ist auf ganzer Linie gescheitert", sagte Zimmermann. Sie warnte vor einem Teufelskreis. "Hebammen werden händeringend gesucht, zumal die Geburtenzahlen steigen. Doch von schlechten Arbeitsbedingungen werden Hebammen in die Teilzeit oder ganz aus dem Beruf getrieben. Zugleich fehlt das Geld für neue Stellen", so ihre Diagnose. Darunter leide die Versorgungsqualität.
Quelle: Neue Osnabrücker Zeitung (ots)