Etwas weniger Gutachten zu vermuteten Behandlungsfehlern
Archivmeldung vom 22.08.2024
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.08.2024 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Sanjo BabićDer Medizinische Dienst hat im Jahr 2023 bundesweit insgesamt 12.438 fachärztliche Gutachten zu vermuteten Behandlungsfehlern erstellt. Die Zahl liege geringfügig unter dem Niveau der Vorjahre, teilte die Expertenorganisation am Donnerstag mit.
In jedem vierten Fall (3.160) wurde demnach ein Fehler mit Schaden
bestätigt. In jedem fünften Fall (2.679) war der Fehler Ursache für den
erlittenen Schaden - nur dann haben Patienten Aussicht auf
Schadensersatz. Es handelt sich dabei grundsätzlich um vermeidbare
Schadensfälle. In 151 Fällen lagen zudem sogenannte "Never Events" vor,
also Ereignisse, die durch Präventionsmaßnahmen sicher verhindert werden
könnten. Darunter fallen folgenschwere Fehler wie Patienten-, Seiten-
oder Medikamentenverwechslungen.
"Um solche Ereignisse zu
verhindern, brauchen wir eine Meldepflicht", sagte Stefan Gronemeyer,
Vorstandsvorsitzender des Medizinischen Dienstes Bund. Die Zahlen
zeigten zudem nur einen sehr kleinen Ausschnitt des tatsächlichen
Geschehens. "Aus wissenschaftlichen Untersuchungen ist bekannt, dass die
Dunkelziffer deutlich höher liegt: Fachleute gehen davon aus, dass es
in etwa einem Prozent aller stationären Behandlungen zu Fehlern und
vermeidbaren Schäden kommt." Demnach seien jedes Jahr 168.000 Patienten
davon betroffen. "Die Experten gehen von ca. 17.000 fehlerbedingten,
vermeidbaren Todesfällen aus", so Gronemeyer.
In der aktuellen
Jahresstatistik bezogen sich zwei Drittel aller erhobenen
Behandlungsfehlervorwürfe auf Leistungen in der stationären Versorgung,
zumeist in Krankenhäusern (8.177 Fälle). Ein Drittel bezog sich auf den
ambulanten Bereich (4.233 Fälle). "Die meisten Vorwürfe beziehen sich
auf operative Eingriffe", sagte Christine Adolph, stellvertretende
Vorstandsvorsitzende und leitende Ärztin des Medizinischen Dienstes
Bayern. "Da diese häufig im Krankenhaus erfolgen, werden sie dem
stationären Sektor zugeordnet."
29,5 Prozent der Vorwürfe (3.665
Fälle) betrafen die Orthopädie und Unfallchirurgie; 11,5 Prozent die
Innere Medizin und Allgemeinmedizin (1.426 Fälle); 9,3 Prozent die
Zahnmedizin (1.156 Fälle) und jeweils neun Prozent die Frauenheilkunde
und Geburtshilfe (1.119 Fälle) sowie die Allgemein- und
Viszeralchirurgie (1.118 Fälle). 5,8 Prozent der Vorwürfe bezogen sich
auf Pflege (726 Fälle). 26 Prozent entfielen auf 29 weitere Fachgebiete
(3.228 Fälle).
In der Jahresstatistik 2023 sind 12.438
Verdachtsfälle zu insgesamt 994 verschiedenen Diagnosen erfasst. Die
Vorwürfe betreffen fehlerhafte Behandlungen bei Hüft- und
Kniegelenksverschleiß, Knochenbrüchen, Zahnwurzelbehandlungen,
Druckgeschwüren und vieles andere mehr.
Bei knapp zwei Drittel
(65,5 Prozent) der begutachteten Fälle waren die Gesundheitsschäden der
Patienten vorübergehend âˆ' eine Intervention oder ein
Krankenhausaufenthalt waren notwendig. Die Patienten sind jedoch
vollständig genesen. Bei einem knappen Drittel der Betroffenen (29,7
Prozent) wurde ein Dauerschaden verursacht.
Ein leichter
Dauerschaden kann eine geringe Bewegungseinschränkung oder eine Narbe
sein. Ein mittlerer Dauerschaden kann eine chronische
Schmerzsymptomatik, eine erhebliche Bewegungseinschränkung oder die
Störung einer Organfunktion sein. Ein schwerer Dauerschaden liegt vor,
wenn Geschädigte pflegebedürftig geworden sind oder sie aufgrund eines
Fehlers erblinden oder dauerhafte Lähmungen erleiden. In 2,8 Prozent der
vom Medizinischen Dienst begutachteten Fälle (75 Fälle) hat ein Fehler
sogar zum Tod geführt.
Quelle: dts Nachrichtenagentur