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Organspendeskandal: Mediziner könnte Aussicht auf Tantieme zu Manipulationen verlockt haben

Archivmeldung vom 21.07.2012

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 21.07.2012 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Hauptgebäude der UMG
Hauptgebäude der UMG

Foto: Docsj
Lizenz: CC-BY-SA-3.0
Die Originaldatei ist hier zu finden.

Der Mediziner, der an der Uniklinik Göttingen im Zentrum eines Transplantationsskandals steht, hat sich möglicherweise durch die Aussicht auf eine Tantieme zur Fälschung von Patientendaten verlocken lassen. Ein Sprecher der Klinik sagte dem Nachrichtenmagazin "Focus": "Der Oberarzt hatte einen Zielvereinbarungsvertrag mit Leistungsbezug." Dabei ist es üblich, dass das Salär von Chirurgen mit der Anzahl der Eingriffe steigt.

Am Freitag war bekannt geworden, dass die Bundesärztekammer schwere Verfehlungen des Mediziners entdeckt hatte. Der 45-Jährige soll Patienten auf dem Papier kränker gemacht haben, damit sie schneller eine Spenderleber zugeteilt bekamen. Zuletzt schaffte der Beschuldigte 50 Transplantationen im Jahr - ein Spitzenwert in deutschen Kliniken. Die Bundesärztekammer war durch einen anonymen Hinweis im November auf den Mediziner aufmerksam geworden. Zunächst ging es nur einen Russen, der im Mai 2011 offenbar gegen die Regeln eine Spenderleber bekam. Er hatte nach "Focus"-Informationen zuvor 120.000 Euro an die Klinik bezahlt. Die Bundesärztekammer stieß bei ihren Recherchen in den vergangenen Monaten bei 32 weiteren Fällen in Göttingen auf Manipulationen.

Der Vorsitzende der zuständigen Prüfungskommission, der Magdeburger Chirurg Hans Lippert, sagte, bei etwa 20 Fällen gingen die Mitglieder der Kommission nun von "Ungereimtheiten und Manipulationen unterschiedlichen Schweregrades aus". Auch bei diesen 20 Fällen besteht demnach der Verdacht, dass Fälschungen die Transplantationen ermöglichten.

Chef der Kommission Organtransplantation schlägt unabhängigen Laborarzt als Kontrollinstanz vor

Der Chef der Ständigen Kommission Organtransplantation der Bundesärztekammer, Hans Lilie, schlägt wegen des Organspende-Skandals in Göttingen eine zusätzliche Kontrollinstanz für die Überprüfung von Patientendaten nach dem Vier-Augen-Prinzip vor. "Bei dem Skandal in Göttingen wurden offenbar Laborwerte verfälscht. Daher verfolge ich die Idee, dass ein Laborarzt die Daten, die Eurotransplant geschickt werden, noch einmal prüfen sollte", sagte Lilie der Tageszeitung "Die Welt".

Eurotransplant ist die für Deutschland zuständige Vermittlungsstelle für Organspenden. Lilie führte weiter aus, dieser Arzt wäre "ein Zeuge für die Richtigkeit der Daten". Weiter sagte Lilie: "Dieser Arzt käme selbstverständlich nicht aus dem Umfeld des zuständigen Transplantationsmediziners, sondern wäre unabhängig und hätte daher auch kein Interesse an einer Verfälschung." Der Strafrechtsprofessor Lilie betonte, dass es sich bei seinem Vorschlag noch nicht um eine konkrete Forderung handle. Erforderlich wäre hierfür zuvor "eine entsprechende Entscheidung der Ständigen Kommission".

Eckhard Nagel, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik in Essen, sprach sich ebenfalls für die Einführung des Vier-Augen-Prinzips aus: "Es würde die Sicherheit vor Ort und die Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung von Betrügereien erhöhen, wenn zwei Ärzte die Befunde unterschreiben müssten."

Nagel hatte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier vor der Nierenspende an dessen Frau beraten. Zum Göttinger Fall sagte Nagel: "Diese Form des Betrugs hat es in den letzten 25 Jahren noch nie gegeben." Gegen das Vier-Augen-Prinzip sprach sich Theodor Windhorst, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe und Mitglied der Kommission Organtransplantation, aus: "Ich bin dagegen, das Vier-Augen-Prinzip einzuführen. Das ist für manche Entscheidungen nicht günstig und praktisch auch nicht immer machbar." Man müsse, sagte Windhorst weiter, "nicht das ganze System revolutionieren". Er gehe "nicht davon aus, dass alle Ärzte korrupt sind". Stattdessen müssten alle Transplantationszentren darauf überprüft werden, ob dort bisher richtig gearbeitet wurde, forderte Windhorst. Dies sollte mit Einzelfallprüfungen per Zufallsprinzip geschehen.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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