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Bielefeld droht ein massiver Ärztemangel

Archivmeldung vom 13.07.2020

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 13.07.2020 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Bielefelder Spitzenpolitiker diskutieren Gesundheitspolitik bei health tv.  Bild: "obs/health tv"
Bielefelder Spitzenpolitiker diskutieren Gesundheitspolitik bei health tv. Bild: "obs/health tv"

Ohne wirksame Gegenmaßnahmen in den nächsten Jahren steht Bielefeld und Umgebung eine Zeit erheblicher medizinischer Unterversorgung bevor: Darin zeigten sich Spitzenpolitiker der Stadt einig, die mit Moderatorin Birgit Lechtermann in der Sendung "Wir wählen Gesundheit - Kommunalwahlen in NRW" über die Lehren aus der Corona-Pandemie und gesundheitspolitische Zukunftsfragen diskutierten.

Die Ausstrahlung erfolgt am heutigen Sonntag um 19 Uhr. "Wir müssen uns definitiv im Gesundheitsamt besser aufstellen. Das gilt für das Bielefelder Gesundheitsamt, das gilt in ganz Deutschland. Die Gesundheitsämter sind für solche Situationen nicht gerüstet gewesen. Wir brauchen mehr Personal, mehr medizinisches und medizinisch geschultes Personal", bekannte etwa Ingo Nürnberger, stellvertretender Vorsitzender der SPD und Sozialdezernent. Mit ihm waren Ralf Nettelstroth (CDU) und Kerstin Haarmann (Grüne), die beide für das Amt des Oberbürgermeisters kandidieren, zu Gast in der Talk-Runde.

Angesichts der Tatsache, dass im Mai zahlreiche Bielefelder CDU-Politiker mit Verzögerung unter Quarantäne gestellt worden waren, kritisierte Nettelstroth eine zu nachlässige behördliche Vorgehensweise: "Was mich verwundert hat war, dass der eigentliche Bescheid erst einen Tag vor Ende der Quarantäne kam. Da stand dann drin, dass ich eigentlich hätte Fieber messen müssen und viele andere Dinge. Deshalb war unsere Fraktion der Auffassung, dass wir da besser werden müssen." Gerade im digitalen Zeitalter sollten mögliche Betroffene schneller und umfassender informiert werden.

Sorge bereite ihm in Bielefeld, einer Stadt, die ohnehin an Hausärzten unterversorgt sei, "dass in den nächsten fünf bis acht Jahren nochmal 100 Ärzte ausscheiden werden. Die Frage ist: Werden sie Nachfolger finden? Wir haben jetzt schon Bereiche in einigen Stadtteilen, wo wir keine ausreichende Versorgung mehr haben." Eine ausreichende Dichte an Praxen vor Ort müsse sichergestellt werden. Hier hofft der CDU-Kandidat auf einen "Klebe-Effekt" durch die neu gegründete medizinische Fakultät der Universität Bielefeld : "Menschen, die hier studieren, bleiben kleben, denn Bielefeld hat viel zu bieten." Ergänzend müsse man über Wirtschaftsförderung Ärzte anwerben.

Kerstin Haarmann hielt dagegen: "Wir können nicht warten, bis die medizinische Fakultät in zehn Jahren ausreichend Hausärzte ausgebildet hat, die gerne in der Region bleiben. Man sollte die Ärzte selber fragen, was sie benötigen. Ich halte nichts von Lockprämien, denn Ärzte, die wir hierhin locken, die locken wir woanders weg. Das ist unsolidarisch." Eine bessere Lösung sei zum Beispiel, dass die Stadt bürge, wenn lange Laufzeiten von Mietverträgen Mediziner von der Gründung einer eigenen Praxis abhielten.

Einen anderen Aspekt brachte Sozialdezernent Ingo Nürnberger (SPD) in die Diskussion ein: "Wir wissen, dass gerade junge Ärztinnen und Ärzte gerne im Angestelltenverhältnis arbeiten möchten." Er skizzierte das Konzept medizinischer Versorgungszentren als eine von mehreren möglichen Lösungsmaßnahmen: "Das ist ja eine Struktur mit festen Arbeitszeiten, mit normalen Urlaubszeiten, die manche Niedergelassenen so nicht machen können." Viele junge Ärztinnen und Ärzte wollten sich heute verstärkt der Medizin, weniger dem Unternehmertum widmen.

Nürnberger, auch Leiter des Corona-Krisenstabes, äußerte sich ebenfalls zu einer Situation, mit der der amtierende Oberbürgermeister Pit Clausen (SPD) für Irritation gesorgt hatte: Im Zusammenhang mit einer Party anlässlich des Aufstiegs von Fußballverein Arminia Bielefeld in die Erste Bundesliga war er im Kreis jubelnder Fans zu sehen, wobei die Abstandsregeln nicht eingehalten wurden. "Dass das unglücklich war, ist klar. Er hat sich von Fans für Fotos reinziehen lassen, das wirkt alles ungeschickt, aber für den Krisenstab war das kein großes Thema."

Der Talk mit Spitzenvertretern der Bielefelder Politik ist die dritte von insgesamt elf Folgen der Sendereihe "Wir wählen Gesundheit - Kommunalwahlen in NRW". Bis zum Wahlsonntag am 13. September kommen bei health tv die Politiker von sieben weiteren großen NRW-Städten zu Wort: Wuppertal, Bochum, Duisburg, Essen, Dortmund, Düsseldorf und Köln.

Quelle: health tv (ots)


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