Belastungen von Kinderwunschpaaren minimieren
Archivmeldung vom 02.09.2020
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Freigeschaltet durch André Ott"Rasanter medizinisch-wissenschaftlicher Fortschritt auf der einen Seite und jahrelanger gesetzgeberischer Stillstand auf der anderen. Das ist das Spannungsfeld, in dem sich die Reproduktionsmedizin seit vielen Jahren bewegt. Es ist höchste Zeit, das 30 Jahre alte Embryonenschutzgesetz an die aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse anzupassen.
Nur so lassen sich unnötige seelische Belastungen von Menschen mit Kinderwunsch vermeiden und gesundheitliche Risiken für werdende Mütter und ihre Kinder minimieren." Das sagte Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), anlässlich der Vorstellung des Memorandums der BÄK "Dreierregel, Eizellspende und Embryonenspende im Fokus". Reinhardt appellierte an den Gesetzgeber, die in dem Papier enthaltenen Regelungsvorschläge zur Grundlage für eine Überarbeitung des Embryonenschutzgesetzes spätestens in der nächsten Legislaturperiode zu machen.
Das von dem Arbeitskreis "Offene Fragen der Reproduktionsmedizin" des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer erarbeitete Papier greife mit der sogenannten Dreierregel, der Eizellspende und der Embryonenspende gezielt nur die wichtigsten Problembereiche aus der reproduktionsmedizinischen Behandlungspraxis auf, erläuterte Prof. Dr. Dr. Peter C. Scriba, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats: "Unser Ziel ist es, dem Gesetzgeber konkrete, wissenschaftlich fundierte und möglichst schnell umsetzbare Vorschläge für eine Reform des Embryonenschutzgesetzes an die Hand zu geben."
"Im Zentrum unseres täglichen ärztlichen Handelns steht das Wohl des Kinderwunschpaares und seines Kindes", betonte Prof. Dr. Jan-Steffen Krüssel, Federführender des Arbeitskreises "Offene Fragen der Reproduktionsmedizin". Als besonders problematisch sieht er die im Vergleich zu anderen europäischen Ländern etwa fünfmal höhere Rate von höhergradigen Mehrlingsschwangerschaften nach Kinderwunschbehandlung an. Dadurch steige die Frühgeburtlichkeit, die mit hohen Risiken für Mütter und Kinder verbunden sei. Die Bundesärztekammer spricht sich deshalb für die Aufhebung der sogenannten Dreierregel aus, die den Transfer von bis zu drei Embryonen erlaubt und damit Mehrlingsschwangerschaften begünstigt. Stattdessen sollte nach Möglichkeit die Methode des Single Embryo Transfer zur Anwendung kommen. Dabei wird nur der Embryo transferiert, bei dem durch Kultivierung und Beobachtung bis zum Blastozystenstadium ein höheres Entwicklungspotential identifiziert wurde.
Darüber hinaus plädiert die BÄK für die Zulassung der nicht kommerziellen Eizellspende in engen Grenzen sowie für die Regelung der Voraussetzungen, des Verfahrens und der damit verbundenen Rechtsfolgen einer Spende überzähliger pränidativer Embryonen.
Zuletzt hatte der Deutsche Ärztetag im Jahr 2017 klargestellt, dass nur der Gesetzgeber Antworten auf offene gesellschaftspolitische Fragestellungen der Reproduktionsmedizin geben könne und nicht eine Richtlinie der Bundesärztekammer. Mit der Richtlinie zur Entnahme und Übertragung von menschlichen Keimzellen im Rahmen der assistierten Reproduktion hatte die BÄK im Jahr 2018 dementsprechend die medizinisch-wissenschaftlichen Fragestellungen klar von den gesellschaftspolitischen Aspekten getrennt.
Davon unbenommen stehe die Bundesärztekammer in der Verantwortung, den politischen Diskussions- und Meinungsbildungsprozess mit ihrer fachlichen Expertise zu unterstützen und voranzutreiben, betonte BÄK-Präsident Reinhardt. Das heute vorgelegte Memorandum sei dafür ein wichtiger Schritt.
Quelle: Bundesärztekammer (ots)