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Alkoholmissbrauch von Jugendlichen: Große Defizite bei der Prävention

Archivmeldung vom 07.08.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 07.08.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Oliver Randak

Exzessiver Alkoholkonsum - auch Rauschtrinken oder Komasaufen genannt - bestimmen derzeit die Schlagzeilen in den Medien und tragen zu einem negativ geprägten Bild der jungen Generation bei. Doch das ist kaum gerechtfertigt, sagen die Kinder- und Jugendärzte: aus einmaligen oder gelegentlichen Exzessen erwächst in der Regel keine dauerhafte Abhängigkeit

Viel schlimmer ist dagegen, dass der immer früher einsetzende dauerhafte Alkoholkonsum junger Menschen von politisch Verantwortlichen wie auch den Eltern dramatisch unterschätzt und diesem Missbrauch bisher präventiv nicht ausreichend begegnet wird.

Dabei hat sich die Anzahl der 10 - 19 Jährigen, die pro Jahr in einer Klinik wegen akuter Alkoholvergiftung aufgenommen werden mussten, seit 2000 glattweg verdoppelt. Und der Anteil der 16 - 17 jährigen männlichen Jugendlichen, die im letzten Monat "fünf oder mehr Gläser Alkohol an einem Tag" getrunken haben, ist zwischen 2004 und 2007 von 52 auf 63 Prozent angewachsen.

Nach Einschätzung der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ) hat diese Entwicklung ganz unterschiedliche Ursachen. So sind hochprozentige Spirituosen bereits für gängiges Taschengeld zu erwerben, Jugendliche werden bewusst schon im Design und in der Werbung von Produkten umworben, die cool sind und im Trend liegen (Alkohol light). Unkontrolliertes Trinken von Alkohol gilt zudem bei Jugendlichen als Bewährungsprobe dafür, sich in Zeiten der immer früheren Akzeleration (Pubertät, Sexualkontakte) gut zu positionieren. Daneben wird nach den Ergebnissen im Kinder- und Jugend-Gesundheitssurvey der Alkoholkonsum der eigenen Kinder von den Eltern stark unterschätzt: je mehr Hochprozentiges getrunken wird und je jünger die Jugendlichen sind, desto weniger wissen die Eltern Bescheid.

Gezielter Handlungsbedarf besteht aus sozialpädiatrischer Sicht für etwa 20 Prozent der stationär akut aufgenommenen Jugendlichen: diesen dient Alkohol bereits als "Problemlöser", erläutert Dr. Andreas Seidler, Delegierter der DGSPJ im Ausschuss Jugendmedizin der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ). Notwendig ist dabei aber die Zusammenarbeit verschiedener Fachleute (Psychologen, Heilpädagogen, Sozialarbeitern) mit den betroffenen Patienten und ihren Familien in Kooperation mit zusätzlichen Helfersystemen wie dem Jugendamt, Diensten der Suchtprävention oder Erziehungsberatungsstellen.

Bereits bewährt haben sich derart ausgerichtete Präventionsprogramme wie HaLT (Hart am LimiT), das inzwischen auf elf Bundesländer ausgedehnt worden ist, erläutert Seidler. Dieses in Lörrach entwickelte Konzept bietet Kindern und Jugendlichen, deren Alkoholkonsum bereits jedes Limit überschritten hat, gezielte Beratung, sensibilisiert Jugendliche mit Beratungs- und Präventionsangeboten und spricht gezielt lokal Verantwortliche an (Vereine, Polizei), um frühes präventives Eingreifen zu ermöglichen. Nach Ansicht der DGSPJ sollten auch solche Präventionsprogramme wie www.aktionglasklar.de oder www.bist-du-staerker-als-alkohol.de erheblich ausgebaut werden.

Insgesamt führt die Prävention jedoch noch ein Schattendasein, kritisiert Seidler. Dennoch gibt es ermutigende Ansätze: so hat die Sondersteuer auf spirituosenhaltige Alcopop-Getränke zu einem Rückgang des Konsums dieser Getränke geführt. Effektiv ist auch die Festlegung einer abgesenkten Promillegrenze für Fahranfänger. Nötig wären aber weitere Maßnahmen, wie etwa die Beschneidung der Werbung für Alkoholika, der Ausbau gezielter Aufklärung für jüngere Schüler in den Schulen oder das Setzen entsprechender TV-Spots. Zumindest zeigen aber jetzt vermehrt die Fachleute Flagge, da nun Bausteine für eine entsprechende Weiterbildung der Fachärzte unter der Mitwirkung der Kommission "Jugendmedizin" der DAKJ erarbeitet worden und in das Weiterbildungsprogramm EuTEACH eingeflossen sind. Ein zentraler Ansatz dabei ist es, jegliche Stigmatisierung der Jugendlichen zu vermeiden und stattdessen gefährdete Jugendliche für einen bewussten Umgang mit Alkoholika zu sensibilisieren.

Dieser Prozess sollte bereits vor der Geburt beginnen, betont Seidler. Wie aus dem Drogenbericht der Bundesregierung hervorgeht, werden pro Jahr bereits 4.000 Kinder geboren, welche in der Schwangerschaft durch Alkohol geschädigt wurden. Diese tauchen dann auch regelmäßig als Patienten in den Sozialpädiatrischen Zentren (SPZ) auf - mit einer erhöhten Rate an Entwicklungs-, Lern- und Verhaltensstörungen und auch ADHS. Die im Drogenbericht genannten Anregungen zur primären Prävention, die auf ganz frühe Aufklärung schon vor der Geburt abzielen, sollten unbedingt aufgegriffen werden und in Kooperation mit den zuständigen Berufgruppen (Hebammen, Kinder- und Frauenärzte / Schwangerenberatungsstellen) stärker propagiert werden. Positive Beispiele gibt es bereits. So haben Aufklärungs-Kampagnen das Aufkommen des plötzlichen Kindstodes erheblich reduzieren können. Warum sollten sich gleiche präventiv-politische Anstrengungen nicht bald auch bei der Alkoholprävention für Kinder und Jugendliche auszahlen?

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