Gesundheitsökonom Prof. Dr. Stefan Greß über das Krankenversicherungssystem: Bevorzugte Behandlung privat Versicherter auf Dauer nicht haltbar
Archivmeldung vom 24.05.2008
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie bevorzugte Behandlung von privat versicherten Patienten ist nach Ansicht des Gesundheits-Ökonom's der Fachhochschule Fulda, Prof. Dr. Stefan Greß, auf Dauer nicht haltbar. "Die Masse der gesetzlich Versicherten wird das nicht länger akzeptieren. Das wird sich schon bei den nächsten Wahlen zeigen", erläuterte Greß gegenüber dem wöchentlichen Finanzdienst "Capital Investor" seine Einschätzung.
Deshalb käme das deutsche Gesundheitssystem auch nicht um "eine Vereinheitlichung des Vergütungsniveaus herum".
Die immer neuen Forderungen der Ärzteschaft nach höheren Honoraren hält der Gesundheitsexperte für unangebracht. "Ich finde es nicht berechtigt, dass Mediziner hier zu Lande immer mehr Geld verlangen", sagte Greß dem "Capital Investor". Schließlich würden die deutschen Ärzte nicht derart mies bezahlt. Und die niedergelassenen Ärzte bekämen schon durch die Gesundheitsreform ab dem Jahr 2009 einen ordentlichen Zuschuss. "Ich glaube, die Unzufriedenheit geht in erster Linie auf das undurchschaubare Vergütungssystem zurück", betonte Greß.
Die derzeit laufende Diskussion um die Rationierung medizinischer Leistungen hat seiner Ansicht nach seinen Ursprung in Bayern, wo Ärzte in Praxen bis zu 30 Prozent mehr Honorar als anderswo bekommen, was sich die bayerischen Kassen allerdings im Zuge der Reform nicht mehr leisten können werden. Eine Leistungskürzung für die Patienten sieht Greß aber nicht. Voraussetzung sei aber, dass "der Leistungskatalog der Kassen noch stärker danach durchgeforstet wird, was medizinisch keinen oder nur wenig Zusatznutzen bringt".
Mit der Einführung des neuen Basistarifs für privat Versicherte ab dem Jahr 2009 sieht Prof. Greß die Gefahr einer Dreiklassen-Gesellschaft in der medizinischen Versorgung. Neben den Kassenpatienten gebe es dann noch die Basistarif- und Privatpatienten. Der Gesundheitsexperte hält beim Basistarif eine Abrechnung der Ärzte mit dem 1,8-fachen Steigerungssatz der Gebührenordnung für wahrscheinlich.
Quelle: Capital Investor