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App statt Arzt: Freie Ärzteschaft kritisiert digitale Plattform-Medizin

Archivmeldung vom 28.01.2021

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 28.01.2021 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Handy, Smartphone (Symbolbild)
Handy, Smartphone (Symbolbild)

Bild: Joachim Kirchner / pixelio.de

Das Bundeskabinett hat in der vergangenen Woche den Entwurf zum dritten Digitalgesetz von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn beschlossen. Die Freie Ärzteschaft (FÄ) hat einen kritischen Blick hineingeworfen. "Die 172 Seiten des Digitale-Versorgung-und-Pflege-Modernisierungs-Gesetzes (DVPMG) haben es in sich", sagte FÄ-Vizevorsitzende Dr. Silke Lüder am Donnerstag in Hamburg.

Lüder weiter: "Im Projekt Telematikinfrastruktur bahnt sich ein 180-Grad-Kurswechsel an: weg von der persönlichen Patientenbetreuung durch Ärzte und Psychotherapeuten hin zu einer lobbygesteuerten digitalen Plattform-Medizin."

Nachdem die Arzt- und Psychotherapiepraxen jahrelang mit Fristen und Sanktionen zum Einbau teurer Konnektoren und Kartenlesegeräte gezwungen worden seien, solle die digitale Vernetzung nun webbasiert über Apps und Plattformen organisiert werden. "Alle sensiblen Krankheitsdaten", betont Lüder, "werden dabei zentral gespeichert." Milliarden Versichertengelder seien bereits in der Telematikinfrastruktur versenkt worden - ohne erkennbaren Nutzen für Ärzte und Patienten. Die FÄ-Vize erläutert: "Neues Ziel ist jetzt das, was wir aus der Ökonomie kennen: Einzelne Digitalkonzerne wie die sogenannten GAFA-Unternehmen (Google, Apple, Facebook, Amazon) beherrschen den Markt. Selbst produzieren sie nichts, streichen aber astronomische Gewinne dadurch ein, dass die Menschen von zuhause bestellen und sich die Waren ohne persönliche Kontakte liefern lassen."

Ohne persönliche Kontakte, das ist nach Lüders Einschätzung auch das Ziel von Minister Spahn: Telemedizin statt Arztbesuch, Videosprechstunde statt Praxisbesuch, digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) statt persönlicher Betreuung. "DiGA sind ein Geschäftsmodell. Obgleich kein Nutzen nachgewiesen sein muss, zahlen die gesetzlichen Krankenkassen beispielsweise für eine Adipositas-App für 90 Tage 500 Euro. Das ist mehr als ein gesetzlich Versicherter durchschnittlich für die gesamte ambulante Medizin inklusive aller Arzt-, Technik- und Laborleistungen im Jahr kostet."

Videokonsile etwa seien sinnvoll im australischen Outback, in der Antarktis, in der Coronakrise oder auch bei Beurteilung von Röntgenbildern in kleinen Kliniken ohne eigene Radiologen. "Für die meisten Krankheitsfälle in Deutschland", betont Lüder, "ist aber eine hochqualitative Versorgung im persönlichen Kontakt bisher Standard in Praxis und Klinik." Medizin beinhalte nicht nur das Gespräch, sondern auch nonverbale Kommunikation, die körperliche Untersuchung, Labor und Technikeinsatz vor Ort. "Wenn der Gesundheitsminister hier die Qualität senken will, soll er das offen sagen."

Die Plattform-Medizin soll offenbar Haus- und Fachärzte sowie Psychotherapeuten immer mehr überflüssig machen. Die FÄ-Vizevorsitzende kritisiert, dass weder das Ministerium noch die gematik ernsthafte Datensicherheitskriterien veröffentlichen. "Die sensibelsten Daten, die es gibt, sollen von privaten Firmen gespeichert und weitergeleitet werden. Das Vertrauenskriterium 'hoch', das für diese Daten als Einziges anzunehmen wäre, taucht in den Gesetzen nicht auf und wird in den Zugangsrichtlinien nicht konkretisiert." Solange das so sei, könne man keinem Arzt, keiner Ärztin und keinem Psychotherapeuten raten, TI-Anwendungen zu nutzen.

Quelle: Freie Ärzteschaft e.V. (ots)

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