Kranke Psyche: Migrationshintergrund erhöht Risiko
Archivmeldung vom 14.11.2013
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIn Deutschland lebende Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund haben ein höheres Risiko für eine Depression, Abhängigkeitserkrankung, posttraumatische Belastungsstörung, ein psychosomatisches Leiden oder andere psychische Störungen.
"Die Kinder und Jugendlichen aus Migrantenfamilien wachsen häufig in einem enormen kulturellen und emotionalen Spannungsfeld auf", erklärt Oya Uzelli-Schwarz, Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie sowie Vorstandsmitglied des Berufsverbandes für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (BKJPP).
Überforderung als Problem
Der Expertin zufolge sind mit den sich daraus ergebenden Konfliktsituationen sowohl Eltern als auch Kinder und Jugendliche häufig überfordert. Das zeigt sich zunächst in einem auffälligen Verhalten. Bei einem Andauern der emotionalen Belastung kann sich dies auch in einer psychischen Störung äußern.
Migration und multikulturelle Aspekte als Risikofaktor für psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen sind ein Schwerpunktthema bei der diesjährigen Jahrestagung des BKJPP, die vom 14. bis 16. November 2013 in Berlin stattfindet. Weitere Themen sind die Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätsstörung ADHS, Sport, die Früherkennung von psychischen Störungen und frühe Hilfen sowie psychosomatische Krankheitsbilder.
Zu dem Kongress, der in Berlin stattfindet, werden rund 800 Teilnehmer erwartet. Das diesjährige Motto lautet "Mauern, Brücken, Übergänge". "Wenn Kinder oder Jugendliche zu uns in die Praxis kommen, gilt es zunächst einmal, emotionale Mauern zu überwinden", so Tagungspräsidentin Uzelli-Schwarz. "Die Brücken und Übergänge benötigen wir, um den Betroffenen Wege aus ihrer Situation aufzuzeigen und sie dabei zu unterstützen."
Große Vorbehalte in Familien
Besorgniserregend sind auch die häufigen Vorbehalte in Migrantenfamilien gegenüber psychiatrischen und psychosozialen Hilfen. "Die Familien vertrauen sich in der Regel viel zu spät einem Arzt an", berichtet Uzelli-Schwarz. "Das verschlimmert nicht nur das seelische Leiden der jungen Patienten. Auch die Behandlung wird dann schwieriger, sie dauert länger und im schlimmsten Fall wird der Behandlungserfolg sogar in Frage gestellt." Ein Hinweis darauf ist beispielsweise der überproportional hohe Anteil junger Türkinnen bei Suiziden.
Um die Zugangsbarrieren zu senken, sollten Anamnese und Behandlung den kulturellen Hintergrund der Patienten berücksichtigen. "Es ist wichtig, sich mit den sozialen Strukturen, Wertevorstellungen und religiösen Bräuchen der Patienten zu beschäftigen. Zudem müssen mögliche Sprachbarrieren berücksichtigt und ausgeräumt werden", betont Uzelli-Schwarz.
Eine mangelnde interkulturelle Verständigung wirkt sich dem Fachmann zufolge immer ungünstig auf die Arzt-Patienten-Beziehung aus. Sie führe in der Folge zu Verhaltensunsicherheiten aufseiten der Patienten und des Arztes und letzten Endes zu Fehl- und Falschdiagnosen.
Quelle: www.pressetext.com/Michaela Monschein