Biochemiker-Team an der TU Darmstadt entwickelt Wirkstoff gegen Fettleibigkeit
Archivmeldung vom 22.03.2018
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIn Deutschland leiden rund vier Millionen Menschen unter Depressionen. Von chronischen Schmerzen sind laut einer Studie der Deutschen Schmerzgesellschaft gar acht bis 16 Millionen Personen betroffen. Und auch in Sachen Körpergewicht sieht es nicht gut aus: Etwa jeder sechste hierzulande ist fettleibig. Biochemisch weisen die drei Volksleiden einen Zusammenhang auf: In unserem Körper gibt es ein Protein, ein Eiweißmolekül namens FKBP51, das sowohl im Energiestoffwechsel als auch bei Depressionen und chronischen Schmerzen eine wichtige Rolle spielt.
Felix Hausch, seit Oktober 2016 Professor für Strukturbasierte Wirkstoffforschung an der TU Darmstadt, sieht in dem Protein einen interessanten Angriffspunkt für Medikamente: „Blockiert man FKBP51, müsste die Neigung zu Depressionen, Fettleibigkeit sowie chronischen Schmerzen abnehmen.“ Als Ausgangspunkt für die Entwicklung von Hemmstoffen wählte das Team um Hausch den bereits zugelassenen Pharmawirkstoff Tacrolimus, eine aus Bakterien gewonnene Substanz, die bekanntermaßen an FKBP51, aber auch an ähnliche Proteine bindet. Die Forscher veränderten die Substanz chemisch so, dass sie FKBP51 noch besser hemmt und zudem ausschließlich dieses Protein blockiert und nicht seine Verwandten.
Mittlerweile arbeiten die Wissenschaftler mit zwei Wirkstoffvarianten. Eine überwindet die Blut-Hirn-Schranke und gilt als Kandidat im Kampf gegen Depressionen sowie chronische Schmerzen. Die andere gelangt nicht ins Hirn und ist ein potenzielles Mittel gegen Fettleibigkeit. Erste Studien mit Mäusen verliefen vielversprechend und ohne Nebenwirkungen. Selbst Mäusen, deren FKBP51-Produktion gentechnisch komplett ausgeschaltet wurde, geht es erstaunlich gut: Sie leben ähnlich lange, bewegen sich gleich und fressen genauso viel wie ihre nicht manipulierten Artgenossen. Die Hemmung von FKBP51 linderte im Tierversuch übrigens nur chronische Schmerzen und beeinträchtigt das akute Schmerzempfinden nicht. „Das ist ganz wichtig“, betont Hausch, „denn sonst verbrennt man sich zum Beispiel die Hand auf der heißen Herdplatte.“
Die bisherigen Ergebnisse klingen viel versprechend, doch abgeschlossen ist die Wirkstoffentwicklung noch lange nicht. „Ein paar Moleküleigenschaften müssen wir noch verbessern“, sagt Hausch. Es werde wohl noch eine Weile dauern, bis die Substanz markttauglich sei, zumal der Entwicklungsaufwand jetzt exponentiell wachse. Die klinischen Tests an tausenden Versuchspersonen – ein Muss in jedem Zulassungsprozess eines neuen Medikamentes – beispielsweise sind extrem teuer. Da eine Universität für diese Studien nicht den richtigen Rahmen bietet, denkt der Biochemieprofessor bereits über eine Unternehmensgründung nach.
Quelle: TU Darmstadt