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Schlafmangel verändert Gehirn auch strukturell

Archivmeldung vom 05.04.2017

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 05.04.2017 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: fz-juelich.de
Bild: fz-juelich.de

Zu wenig Schlaf beeinträchtigt nicht nur Leistung und Gesundheit massiv, sondern verändert das Gehirn auch strukturell, wie Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich in einem Versuch gemessen haben. "Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass sich durch den Schlafentzug die Zahl der verfügbaren A1-Adenosinrezeptoren erhöht. Durch einen anschließenden Erholungsschlaf normalisierten sie sich wieder auf das Ausgangsniveau", berichtet Studienleiter David Elmenhorst.

Gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) haben die Forscher untersucht, mit welchen molekularen Veränderungen das menschliche Gehirn auf ungewöhnlich lange Wachphasen reagiert. Testpersonen blieben 52 Stunden durchgehend wach. Ihre Werte wurden im Jülicher PET-Zentrum vermessen. In einem nächsten Schritt durften sie im DLR in Köln 14 Stunden unter Überwachung ausschlafen.

Die A1-Adenosinrezeptoren werden als Empfänger in die Zellwand eingebaut. Sie geben das Signal des andockenden Botenstoffs Adenosin ins Zellinnere weiter, das die Aktivität der Zelle reduziert. Forscher vermuten, dass nicht nur das Adenosin, sondern auch die A1-Rezeptoren für das Schlafbedürfnis verantwortlich sind, das mit zunehmender Wachdauer immer stärker wird. Adenosin ist ein entscheidendes Produkt des Energiestoffwechsels. Seine Konzentration schwankt praktisch im Sekundentakt. Die Anzahl der freien Rezeptoren ändert sich dagegen viel langsamer und erscheint damit besser für eine Art "Schlafgedächtnis" geeignet zu sein.

Sekundenlange Aussetzer

Auch die Wirkung von Koffein hängt mit diesem Rezeptortyp zusammen. Der Wirkstoff lagert sich an Eiweißmoleküle an und blockiert sie. In den Tests mussten die Studienteilnehmer auf Kaffee und andere Muntermacher verzichten. Während der 52-stündigen Wachzeit unterzogen sie sich mehreren Leistungstests: Zur Messung der Reaktionszeit mussten Knöpfe gedrückt werden. Die Gedächtnisleistung wurde über das Memorieren von Begriffen überprüft.

Auffällig waren die Leistungsunterschiede. Manche Teilnehmer zeigten unter Schlafentzug extreme, teils sekundenlange Aussetzer. Bei anderen war jedoch kaum ein Leistungsabfall feststellbar. Eine derartige Veranlagung könnte für Berufe, in denen Menschen regelmäßig unter Schlafmangel fehlerfreie Leistungen bringen müssen, einen Vorteil darstellen. "Erstaunlicherweise konnten wir gerade bei dieser scheinbar resistenten Gruppe von Probanden keinen konstanten Wert, sondern eine besonders starke Erhöhung der A1-Rezeptor-Verfügbarkeit feststellen", berichtet Forschungsleiter Elmenhorst.

Nutzen für klinische Medizin

Der erhöhte Wert ist allerdings nicht ident mit einer außergewöhnlich hohen Konzentration von Rezeptormolekülen. Denn die Messung mittels Positronen-Emissions-Tomografie (PET) erfasst nur den Nettowert. Tracer-Moleküle im Blutkreislauf der Probanden docken an freie Rezeptor-Moleküle an und werden bei ihrem Zerfall im PET-Scanner sichtbar. Auf diese Weise werden nur die Rezeptoren erfasst, die nicht blockiert und zum Messzeitpunkt verfügbar sind.

"Unsere These ist daher, dass die Probanden, bei denen wir eine besonders hohe A1-Rezeptor-Verfügbarkeit gemessen haben, relativ wenig Adenosin produzieren und so auch weniger die Aktivität der Zellen hemmen", so Elmenhorst. Folglich stehen insgesamt mehr freie Rezeptoren zum Zeitpunkt der PET-Untersuchung zur Verfügung. Die Forschungsergebnisse könnten auch für die klinische Medizin von Bedeutung sein. Schlafentzug gilt nämlich als schnelles, aber nur kurzzeitig wirksames Mittel gegen Depressionen.

"Es gibt viele Bestrebungen, die therapeutische Wirkung des Schlafentzugs bei der Behandlung von Depression zu verlängern. Das Problem: Einmaliges Schlafen reicht häufig schon aus, um in den depressiven Zustand zurückzufallen", sagt Elmenhorst. Ein besseres Verständnis der Zusammenhänge zwischen Stimmungslage und Adenosinregulation könnte daher dazu beitragen, das Design von Wachtherapien zu optimieren.

Quelle: www.pressetext.com/Moritz Bergmann

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