Antibiotika: Resistenzproblematik entschärfen - Pflanzliche Arzneimittel im Fokus
Archivmeldung vom 25.11.2019
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Freigeschaltet durch André OttDie Verordnung von Antibiotika bei unkomplizierten Erkrankungen ist nach wie vor auf einem zu hohem Niveau, erklärte Prof. Dr. Andreas Michalsen, Berlin, bei einem Fachkongress anlässlich des 12. Europäischen Antibiotikatags im November 2019 in Berlin. Ein zurückhaltender Einsatz chemisch-synthetischer Antibiotika sei essenziel, um diese wichtige Arzneistoffgruppe für ernste und bedrohliche Erkrankungen zu bewahren.
Im Kampf gegen die zunehmenden Bakterienresistenzen rücken daher wirksame pflanzliche Therapieansätze verstärkt in den Fokus von Forschung und Praxis. Langfristig wird nur ein vielfältiger Mix aus verschiedenen Strategien wie gezielter Einsatz von Antibiotika, alternative Therapieansätze und eine gelungene Arzt-Patienten-Kommunikation zum Erfolg führen. So können zum Beispiel bei akuten unkomplizierten Infektionen wie Blasenentzündungen und Erkältungskrankheiten aufgrund ihrer antibakteriellen, entzündungshemmenden und antiviralen Eigenschaften Arzneipflanzen mit Senfölen eingesetzt werden, erläuterte Dr. Rainer Stange, Berlin.
"Obwohl die Ausbreitung resistenter Keime eine große Gefahr birgt, können neue Wirkstoffe nicht mehr schnell genug entwickelt werden - die Zahl der jährlich neu auf den Markt kommenden Antibiotika sinkt ständig", so Michalsen. 2050 könnten Antibiotikaresistenzen laut WHO die häufigste Todesursache weltweit sein. Zur Entschärfung der Resistenzproblematik ist es wichtig, dass Antibiotika nur dann eingesetzt werden, wenn sie wirklich medizinisch erforderlich sind. Für banale Infektionen hat die Natur wirkungsvolle Alternativen zu bieten. So können zum Beispiel bei Blasenentzündungen und Erkältungskrankheiten pflanzliche Senföle zum Einsatz kommen. Vor dem Hintergrund der bedrohlichen Resistenzentwicklung ist besonders interessant, dass durch die vielfältigen Wirkansätze der Pflanzenstoffe bei den Bakterien die Entwicklung von Resistenzmechanismen gegen die Senföle deutlich erschwert wird.
"Sie stellen aufgrund ihrer antibakteriellen, entzündungshemmenden und antiviralen Eigenschaften zur Therapie von Atemwegsinfektionen eine vielversprechende natürliche Substanzgruppe dar", erklärte Dr. Rainer Stange, Berlin. Für Patienten mit ständig wiederkehrenden Atemwegsinfektionen böten sich außerdem prophylaktische Strategien an, für die sich mehrere naturheilkundliche Methoden kombinieren lassen. Speziell für die Phytotherapie kämen neben den Senfölen z.B. klassische abwehrverbessernde Pflanzen wie Echinacea purpurea infrage oder auch pflanzliche Stoffgruppen wie Myrtole (Mischung verschiedener ätherischer Öle).
"Wir müssen neue Wege einer rationalen Medizin gehen, die eine Unterscheidung erlaubt, wann tatsächlich eine Probe ins Labor geschickt wird und an welchen Punkten wir eine Antibiotika-Therapie gar nicht mehr als erste Therapieoption in Erwägung ziehen", forderte die Gynäkologin Dr. Dorothee Struck, Kiel. Die unkomplizierte Harnwegsinfektion der Frau gehöre für sie dazu, es gebe gute und hinsichtlich ihrer Wirksamkeit umfangreich belegte Alternativen aus dem Bereich der Phytotherapie. "Es wird höchste Zeit, das Therapieregime grundlegend zu überdenken und zu ändern", ergänzte der Urologe Dr. Wolfgang Bühmann, Sylt OT Morsum. Die neue S3-Leitlinie zur Behandlung von Harnwegsinfektionen (Therapieempfehlung für Ärzte) unterstütze diesen Ansatz endlich auch "offiziell" und ermutige, auf Antibiotika als "Erstlinienbehandlung" zunehmend zu verzichten. Antibakterielle Aktivität, antientzündliche Wirkung, fehlende Resistenzentwicklung und geringe Nebenwirkungsrate sind laut Bühmann gute Gründe für den Einsatz von pflanzlichen Arzneimitteln wie z.B. den Senfölen in der Therapie von akuten unkomplizierten Harnwegsinfektionen. Der Einsatz der pflanzlichen Wirkstoffe wird in der entsprechenden S3-Leitlinie als Behandlungsoption bei häufig wiederkehrenden Blasenentzündungen empfohlen.
"Es ist sehr wichtig, den Patienten in die Entscheidungsfindung für oder gegen ein Antibiotikum miteinzubeziehen", führte Prof. Dr. Attila Altiner, Rostock, aus. Zu einer gelungenen Arzt-Patienten-Kommunikation gehöre das genaue Erkunden der tatsächlichen Erwartungen des Patienten. Das fördere die Therapietreue (Adhärenz) und gehe entgegen einiger Vorurteile nicht mit einem höheren Zeitaufwand einher.
"Viele Apothekenkunden sind der Meinung, dass Antibiotika schneller und stärker wirken als pflanzliche Alternativen", berichtete die Apothekerin Juliane von Meding, Gräfelfing. Hier gelte es Kunden von der Effektivität pflanzlicher Behandlungsmaßnahmen zu überzeugen. "Wir empfehlen bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen bevorzugt pflanzliche Arzneimittel mit breiter antibakterieller Wirkung. Denn bei einer reinen Behandlung der Beschwerden mit z.B. schmerzlindernden Medikamenten oder durchspülenden Arzneipflanzen ohne antibakterielle Wirkung besteht das Risiko, eine Nierenbeckenentzündung zu entwickeln, weil die krankheitsaus- lösenden Erreger nicht beseitigt werden und aufsteigen können", so von Meding. Zudem sei es häufig erforderlich, Apothekenkunden den Unterschied zu den oft wenig wirksamen, niedriger dosierten Nahrungsergänzungsmitteln aus dem Supermarkt oder der Drogerie deutlich zu machen.
Quelle: CGC Cramer-Gesundheits-Consulting GmbH (ots)