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Neue, unveröffentlichte Studie: Bis zu 35 Prozent der Patienten mit Lymphdrüsenkrebs klagen über finanzielle Probleme

Archivmeldung vom 23.06.2015

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 23.06.2015 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
Bild: Christian Pohl / pixelio.de
Bild: Christian Pohl / pixelio.de

Bis zu 35 Prozent der Patienten mit Lymphdrüsenkrebs, die nach intensiver Behandlung geheilt sind, klagen in den nachfolgenden Jahren über finanzielle Probleme. Das geht aus einer bislang unveröffentlichten Studie der German Hodkin Study Group hervor, die dem ARD-Politikmagazin "Report Mainz" vorliegt. Die Studie stammt aus dem Jahr 2014. Befragt wurden über 1.000 Patienten. Eine weitere Langzeitstudie der Universität Heidelberg und der Medical Association of Saarland mit Brustkrebspatienten stellt fest, dass bei älteren Patienten (65 Jahre und älter) in rund 25 Prozent der Fälle finanzielle Probleme besonders häufig auftreten. Allerdings leiden auch die jüngeren Patienten (18-49 Jahre) unter finanziellen Engpässen: verglichen mit ihrer Altersgruppe rund dreimal häufiger (Acta Onkologica, 2013, 52).

Der führende Onkologe Prof. Bernhard Wörmann von der Charité nennt diese Entwicklung alarmierend. Kaum jemand spreche darüber, es sei ein Tabuthema: "Wenn wir Zahlen sehen, dass ein Viertel bis ein Drittel der Patienten Jahre nach einer Krebserkrankung unter finanziellen Problemen leiden, dann ist das ein riesiges Problem. Das wird so nicht wahrgenommen", sagte er im Interview mit "Report Mainz". Das sei eine sehr eigene belastende Dimension für Patienten: "Wir sehen, dass Patienten manchmal sogar durch die finanziellen Probleme stärker belastet sind kurzzeitig als durch die Krankheit selbst. Die Sorge, wie es der Familie weitergeht, wie man selbst über die Runden kommt, überlagert dann das Problem, was wir für wichtiger halten, nämlich des Gesundwerdens."

"Report Mainz" hat mehrere krebskranke Patienten nach ihren Einkommensverlusten befragt: Ein 48-jähriger Diplomingenieur, erkrankt am Schwarzen Hautkrebs, erhält jetzt 1.500 Euro weniger. Das ist minus 25 Prozent. Wenn jetzt unmittelbar sein Krankengeld ausläuft, droht ihm unter Umständen Erwerbsminderungsrente. Die beträgt im Durchschnitt 719 Euro. Ein 63-jähriger ehemaliger Betriebsleiter einer Matratzenmanufaktur, erkrankt am Bauchspeicheldrüsenkrebs, schon nach vier Monaten berentet, hat jetzt 500 Euro weniger, minus 33 Prozent. Besonders betroffen von solchen finanziellen Einschnitten sind Selbstständige. Ein 60 Jahre alter Tischler mit kleiner Firma, erkrankt am chronischen Blutkrebs, hat jetzt 700 Euro weniger, minus 70 Prozent.

Das Problem der Verarmung von Krebspatienten ist relativ neu und entsteht aus einer eigentlich sehr "erfreulichen Entwicklung", sagt der Chefarzt Dr. Ulf Seifart von der Reha-Klinik Sonnenblick in Marburg: "Patienten können in einem zunehmenden Maße ihre Krebserkrankung ganz überleben und dadurch Probleme entwickeln, die wir viele Jahre gar nicht gesehen haben und auf die wir uns vom Gesundheitssystem her auch erst einmal einstellen müssen."

Verarmten Krebspatienten könnte mit relativ einfachen Maßnahmen sehr wirkungsvoll geholfen werden, meinen Onkologen und Reha-Mediziner. Bis zu 78 Wochen können Patienten Krankengeld erhalten. Der tatsächliche Bezug ist meist sehr viel kürzer, weil auf diese Dauer Reha- und/oder Wiedereingliederungszeiten in den Arbeitsmarkt mit angerechnet werden. Hinzu kommt, dass diese Regelung von 78 Wochen völlig starr gehandhabt wird. Eine längere Bezugsdauer von Krankengeld würde schon vielen helfen: "Das wäre ein - wie ich finde - sehr guter Ansatz. Und gerade bei so langwierigen Therapieverläufen würde es den Patienten helfen, wenn das Krankengeld dann etwas länger gezahlt würde", sagte der Reha-Arzt Ulf Seifart "Report Mainz". Eine weitere Lösungsmöglichkeit bestünde im Ausbau einer unabhängigen Beratung für die Patienten. Gegenwärtig werden sie beraten von Krankenkassen, Rentenversicherung und der Bundesagentur für Arbeit. Alle diese sozialen Sicherungssysteme haben ihre eigenen finanziellen Interessen, die oftmals konträr sein können zu denen der Patienten. Deshalb muss es für sie einen unabhängigen Berater geben - einen Lotsen: "Ein unabhängiger Lotse ist genau das, aber es muss ein qualifizierter Lotse sein und es muss dafür auch ein bestimmtes Curriculum da sein, was so ein Lotse leisten muss, wissen muss und dem Patienten auch liefern muss. Wichtig ist, dass es eine objektive und hochqualifizierte sozialmedizinische Beratung gibt", meint Prof. Wörmann von der Charité.

Quelle: SWR - Das Erste (ots)

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