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Hungern als Lebenselixier?

Archivmeldung vom 24.11.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 24.11.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Oliver Randak

Die US-amerikanische "Gesellschaft für Kalorienreduktion" weist 3.500 zahlende Mitglieder auf, die glauben, mit kalorienreduzierter Kost ihre maximale Lebensspanne ausschöpfen zu können.

Die meisten Menschen legen für ein paar Tage eine Diät ein, wenn die Hose mal wieder zu eng wird. Bob Cavanaugh jedoch ist entschlossen, für den Rest seines Lebens weniger zu essen, als bei seiner Körpergröße angebracht wäre. Der 61-Jährige aus dem US-Bundesstaat North Carolina ist eines von 3500 zahlenden Mitgliedern der US-"Gesellschaft für Kalorienreduktion". 
 
"Viele machen mit, weil sie länger leben wollen", sagt der frühere Soldat über die Anhänger der Diätbewegung. "Andere wollen mit der Diät altersbedingten Krankheiten vorbeugen, oder sie haben schon Diabetes, einen hohen Cholesterinspiegel oder verstopfte Arterien und wollen mit der Diät Ordnung in ihrem Körper schaffen." Cavanaugh selbst litt seit 15 Jahren an Bluthochdruck, als er vor acht Jahren begann, nur noch wenig zu essen. "Ich hatte Hunger und Fressattacken", erinnert er sich an den Beginn der Ernährungsumstellung. Fortan zählte er nicht nur die Kalorien, sondern achtete auch darauf, genügend Vitamine, Mineralien und Aminosäuren zu sich zu nehmen. Das half. "Jetzt fühle ich mich viel vitaler", sagt Cavanaugh. Heute habe er mehr Energie als vor 20 Jahren. 
 
Eine kalorienreduzierte Kost bedeute nicht zwangsläufig, wenig zu essen, stellt Cavanaugh klar. Er beschränke sich zwar auf zwei Mahlzeiten am Tag, verschlinge aber jede Menge Obst und Gemüse zusammen mit den kleinen Portionen Fleisch oder Fisch. Fettes, sehr Süßes oder Salziges sind für Cavanaugh tabu. 
 
Tierversuche haben gezeigt, dass eine permanente leichte Unterernährung die Vitalität steigert und das Leben um mehr als 30 Prozent verlängert. Ähnliche Effekte erhofft sich die "Gesellschaft für Kalorienreduktion" auch beim Menschen. "In den reichen Ländern essen vermutlich 90 Prozent der Menschen 50 Prozent zu viel", sagt Christiaan Leeuwenburgh, der Leiter der Abteilung Altersbiologie an der Universität von Florida. "Selbst wenn sie nur noch halb so viele Kalorien zu sich nehmen würden, würden sie ihren Grundumsatz decken", der das optimale Gleichgewicht zwischen Energieaufnahme und Energieverbrauch bezeichnet. 
 
 
Eine Vielzahl von Studien belegt, dass die Einhaltung dieses Gleichgewichts hilft, Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs vorzubeugen. Manche Versuche mit Tieren und Menschen gingen noch weiter: Bei gleichbleibender Nährstoffzufuhr wurde der Grundumsatz um zehn bis 20 Prozent unterschritten. Die Ergebnisse legen nahe, dass diese leichte Unterernährung der Gesundheit zuträglich ist. Im Schnitt brauchen Männer 1800 Kalorien am Tag, Frauen je nach Größe zwischen 1200 und 1600. 
 
Luigi Fontana ist Professor an der Abteilung für Ernährungswissenschaft und Geriatrie der Washington University in St. Louis im Bundesstaat Missouri. Seit Jahren erforscht er die Auswirkungen der Niedrigkaloriendiät beim Menschen. In einer Langzeitstudie beobachtet er eine Gruppe von 50 Erwachsenen, die sich seit mindestens einem Jahrzehnt kalorienreduziert ernähren. "Die meisten von ihnen sind in mittlerem Alter, aber ihr Herz-Kreislauf-System gleicht dem von Teenagern", hat Fontana beobachtet. Der Blutdruck, der Cholesterinspiegel und die Blutzuckerwerte seien niedrig, wohingegen der Spiegel des so genannten guten Cholesterins hoch sei. Weitere Studien zeigen, dass diese Art von Unterernährung den Alterungsprozess verlangsamt. 
 
Ob das Hungern jedoch tatsächlich mit einem längeren Leben belohnt wird, ist weiter unklar. "Es ist unwahrscheinlich, dass die Lebensspanne eines Menschen dadurch wesentlich verlängert werden kann", sagt Jan Vijg vom kalifornischen Buck-Institut für Altersforschung. Allein die Tatsache, dass der Mensch so lange lebt, mache die Forschung so schwierig. Versuche mit Affen legen nahe, dass sich das Leben von Primaten nicht wie das von Mäusen und Ratten um 30 oder gar 40 Prozent verlängern lässt. 
 
"Werden wir zehn Jahre Lebenszeit gewinnen? Das weiß niemand", sagt Forscher Leeuwenburgh. "Aber eines ist sicher: Kalorienreduzierung kann helfen, die genetisch bedingte maximale Lebensspanne auszuschöpfen."

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