Europäischer Gerichtshof fällt wichtiges Urteil zur Gentechnik
Archivmeldung vom 06.09.2011
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAuch Lebensmittel mit minimalen Gentechnik-Spuren sind "gentechnisch veränderte" Lebensmittel im Sinne des europäischen Gentechnikrechts und dürfen nicht ohne besondere Zulassung und Sicherheitsprüfung in den Verkehr gebracht werden. Dieses Urteil fällte vor einer Stunde der Europäische Gerichtshof (EuGH) nach einem jahrelangen Rechtsstreit, den das "Bündnis zum Schutz der Bienen vor Agrogentechnik" zusammen mit einem betroffenen Imker aus Bayern initiiert hat.
Bereits am 9. Februar hatte der Generalanwalt des EuGH mit seiner Empfehlung den Grundstein für das heutige Urteil zur Verunreinigung von Honig durch gentechnisch veränderten Mais MON810 gelegt und im Wesentlichen die Rechtsauffassung der Kläger bestätigt: Honig muss vor Verunreinigung durch Pollen aus Gentechnik-Pflanzen geschützt werden. Anspruch auf Schutz vor Gentechnik oder Schadensersatz hatten Imkereien bisher nicht. Nach Auffassung des EuGH sind die nun geforderten strengen Maßstäbe zum Schutz der menschlichen Gesundheit vor den teilweise noch unerforschten Risiken der Gentechnik erforderlich. Folgen dürfte dieses Urteil nicht nur für Honig, sondern EU-weit für sämtliche Lebensmittel haben. Der Präsident des Deutschen Imkerbundes e. V., Peter Maske, begrüßt ausdrücklich die heute gefällte Entscheidung des EuGH: "Mit dem heutigen Urteil wurde endlich die von der Imkerschaft seit langem geforderte Rechtssicherheit geschaffen und den Gesetzgeber trifft nun eine hohe Verantwortung, die Risiken der Agro-Gentechnik in das Gentechnikgesetz zu übertragen. Ein Sicherheitsabstand von 300 m beim Anbau ist hierbei wohl keineswegs ausreichend. Der Sicherheitsabstand muss 10 km betragen. Diese Anbautechnik dürfte für Landwirte dann nicht mehr interessant und umsetzbar sein."
Bioland begrüßt EuGH Urteil zum Honig
Bioland begrüßt das heutige Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) als klaren Sieg für den Verbraucherschutz und für eine gentechnikfreie Landwirtschaft. Danach darf Honig keine Zutat enthalten, die aus GVO hergestellt wurde, wenn diese in der EU nicht als Lebensmittel zugelassen ist. Hierunter fällt der verunreinigte Pollen, der im Honig des klagenden Imkers gefunden wurde. Es gilt weiterhin die Nulltoleranz.
"Das Urteil stärkt die Position von Imkern und Konsumenten, die sich nicht der Wirtschaftsmacht internationaler Saatgutkonzerne beugen," kommentiert Jan Plagge, Präsident von Bioland die Gerichtsentscheidung. "Der Schutz von Mensch und Umwelt muss absoluten Vorrang vor den Einzelinteressen von Saatgutkonzernen haben, die GVO vermarkten". Mit dem Richterspruch müsse kein Imker mehr in dem von ihm produzierten Honig Gentech-Pollen und kein Verbraucher gentechnisch verunreinigten Honig akzeptieren.
"Bundesministerin Ilse Aigner muss jetzt handeln und die angekündigte Novelle des Gentechnikgesetzes nutzen, um Honig vor Verunreinigungen mit GVO zu schützen. Bioland fordert einen Abstand von mindestens fünf Kilometern zwischen Bienenstöcken und Feldern auf denen Gentech-Pflanzen angebaut werden. Dies entspricht dem durchschnittlichen Flugradius einer Biene," so Plagge.
Die Bundesländer fordert Bioland auf, Importhonige auf nicht zugelassene GVO zu untersuchen und bei Positivfunden aus dem Verkehr zu ziehen. "Die Bestätigung der Nulltoleranz durch den EuGH muss nun in der Praxis umgesetzt werden, so Plagge.
Honig-Verband erwartet keine kurzfristigen Konsequenzen
Der Honig-Verband erwartet nach einer ersten Einschätzung keine kurzfristigen Konsequenzen aus dem aktuellen Urteil des Europäischen Gerichtshofes über die Auslegung der GVO-Verordnung Nr. 1829/2003 in Bezug auf Honig.
"Wir werden das Urteil noch prüfen, gehen aber davon aus, dass die Produkte unserer Mitglieder weiterhin verkehrsfähig sind", so ein Sprecher des Verbandes. "In Einzelfällen können Polleneinträge von genveränderten Pflanzen nicht ausgeschlossen werden. Beim allergrößten Teil dieser Honige stammen die Pollen allerdings von in Europa als Lebensmittel zugelassenen Pflanzen. Somit verfügt auch der betroffene Honig automatisch über eine ausreichende Zulassung und ist weiter verkehrsfähig. Eine Kennzeichnungspflicht scheidet für diesen Honig aus, weil der Schwellenwert von 0,9 % Pollen aus genveränderten Pflanzen nicht überschritten wird."
Für die wenigen Pollen von noch nicht umfassend als allgemeines Lebensmittel zugelassenen genveränderten Pflanzen wie z.B. MON 810 gilt allerdings eine Nulltoleranz für Honig.
Ausgelöst wurde dieses Verfahren von einem bayerischen Imker, in dessen Honig Pollen von genveränderten Pflanzen festgestellt wurden. Dieser zog gegen den Freistaat Bayern vor Gericht, um den Anbau der Genmaissorte MON 810 zu verhindern. Das Bayerische Verwaltungsgericht hatte sich darauf hin zur Klärung verschiedener Grundsatzfragen, die sich in dem Verfahren ergeben haben, an den Europäischen Gerichtshof gewandt.
Der Verband beobachtet nach eigener Aussage mit großer Sorge, dass das traditionsreiche und wertvolle Naturprodukt Honig immer häufiger in den Mittelpunkt der politisch motivierten Diskussion um den Einsatz grüner Gentechnik gerückt wird. Keinem Honig würden Pollen von genveränderten Pflanzen bewusst zugesetzt - das Vorkommen geht allein auf Bienenflug und den Wind, über den Pollen kilometerweit verbreitet werden und so in Nektar und Honigtau gelangen können, zurück. "Das ist weder reglementierbar noch kontrollierbar", so der Verband.
Sollte sich die Rechtsprechung der nationalen Gerichte im Sinne des EuGH-Urteils ändern, würde dies nach Einschätzung des Verbandes einem Teil der Imker ihre Existenzgrundlage entziehen und die Zahl der durch das weltweite Bienensterben bereits stark dezimierten Populationen weiter reduzieren. Bienen dienen aber nicht nur der Erzeugung von Honig, sie haben mit der Bestäubung von Kulturpflanzen auch eine wichtige Funktion in der weltweiten Gewinnung von Lebensmitteln, betont der Verband.
Quelle: Deutscher Imkerbund e. V. / Bioland e.V. / Honigverband e.V. (ots)