Seehofer-Behörde schlägt Alarm wegen ITX Erneut hohe Belastung in Wellness-Drink
Archivmeldung vom 02.03.2006
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Freigeschaltet durch Jens BrehlNach fünf Wochen Diskussion nennt Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hohe ITX-Verunreinigungen in Kartonsäften "nicht akzeptabel" - Verbraucherschutzministerium bleibt untätig - Deutsche Umwelthilfe weist erstmals ITX-Spitzenbelastung in einem bereits einmal aus dem Sortiment genommenem Wellness-Drink nach.
Nach fünf Wochen fortgesetzter Meldungen
über hohe Konzentrationen von Kartonsäften mit der Druckchemikalie
Isopropylthioxanthon (ITX ) bezeichnet das dem Seehofer-Ministerium
unterstellte Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) die gemessenen
Belastungen in einer Erklärung als "aus Sicht der Risikobewertung
nicht akzeptabel". Aussagen zum gesundheitlichen Risiko könnten nicht
getroffen werden, weil bis heute ausschließlich Untersuchungen zur
erbgutschädigenden Wirkung von ITX vorlägen und Entwarnung allenfalls
bis zu einer Konzentrationen von weniger als 50 Mikrogramm pro
Kilogramm (µg/kg) gegeben werden könne.
Die von der DUH veranlassten Untersuchungen hatten aber
ITX-Belastungen von bis zu 447 µg/kg in einem bei der Handelskette
Kaufland erworbenen "Aloe-Vera-Drink mit Fruchtsaft, der
Wellness-Drink für jeden Tag" ergeben. Kaufland hatte wie andere, von
ITX-Kontaminationen von über 50 µg/kg betroffene Handelsketten die
Räumung des Wellness-Drinks in 0,75-Liter-Kartons der Firma Elopak
aus den Regalen zugesagt und sie später mit neuem
Mindesthaltbarkeitsdatum wieder eingestellt. In dieser Woche wurde
die Druckchemikalie jedoch erneut, diesmal in einer Konzentration von
322 µg/kg, in einem frisch erworbenen Getränk dieser Marke
festgestellt.
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch nannte die Erklärung der
Risikobehörde eine "Ohrfeige für Horst Seehofer". Spätestens "wenn
die eigenen Fachleute in dieser Weise Alarm schlagen, müssen bei
jedem Minister die Alarmglocken klingen. Aber Seehofer befindet sich
offenbar immer noch politischen Aschermittwoch."
Die Verantwortung für die gesundheitliche Unbedenklichkeit ihrer
Produkte liegt nach Auffassung des BfR bei den Herstellern. Folglich
müssten "sie alle Anstrengungen unternehmen, um den Übergang solcher
Stoffe in Lebensmittel zu vermeiden und die für die gesundheitliche
Bewertung der erforderlichen Daten zu erarbeiten". Das ist jedoch
derzeit nicht im Mindesten der Fall. ITX-Rückstände von mehr als 50
Mikrogramm pro Kilogramm seien von den bisher durchgeführten Tests
auf Genotoxizität nicht abgedeckt. Aus einem Protokoll einer
außerordentlichen Sitzung der Kunststoffkommission des BfR geht zudem
hervor, dass ITX in Konzentrationen von bis zu 600 Mikrogramm pro
Liter nachgewiesen wurde. Außerdem heißt es lapidar: "Zu ITX wird die
Druckfarbenindustrie keine weiteren toxikologischen Untersuchungen
durchführen". In einem Schreiben des Seehofer-Ministeriums vom
Mittwoch dieser Woche an die DUH wird dagegen das exakte Gegenteil
behauptet: Die Druckfarbenindustrie habe zugesagt, weitere Daten zur
toxikologischen Bewertung zu erheben.
In seiner Erklärung räumt das BfR ein, dass das aktuelle
diskutierte ITX-Problem eine noch weit größere Datenlücke überdecke:
über 1000 verschiedene Substanzen würden für die Bedruckung von
Lebensmittelverpackungen eingesetzt. Ob und in welchen
Konzentrationen diese Stoffe in die Lebensmittel übergehen, sei
ebenso wenig bekannt wie ihre Giftigkeit, da weder auf nationaler
noch auf EU-Ebene entsprechende Prüfregelungen bestehen. Mit der
Ermittlung entsprechender Daten wolle sich die Industrie zudem nach
eigenen Angaben bis 2010 bzw. 2015 Zeit lassen. Derartige Fristen
nennen BfR und Kunststoffkommission in ihrer Erklärung
"unakzeptabel", weil so eine "gesundheitliche Bewertung lange Zeit
nicht möglich" sei.
"Die Verzögerungstaktik der Industrie ist unerträglich", erregt
sich Resch. "Aktuell sollen die Verbraucher die ITX-haltigen
Restbestände austrinken, ohne zu wissen, ob und wie sie ihre
Gesundheit beeinträchtigen. In fünf bis zehn Jahren erfahren sie
dann, welchen Chemie-Cocktail man ihnen in der Zwischenzeit außerdem
zugemutet hat. Und das alles findet Herr Seehofer offenbar ganz in
Ordnung."
Resch rief die BfR-Wissenschaftler auf, es nicht bei einer mahnenden, aber letztlich folgenlosen Erklärung in Richtung Industrie zu belassen: "Sie müssen Minister Seehofer jeden Tag an seine Kernaufgabe erinnern, Verbraucher und Verbraucherinnen zu schützen".
Quelle: Pressemitteilung Deutsche Umwelthilfe e.V.